Erste BGH-Entscheidung zu Preisanpassungsklauseln eines Berliner Fernwärmeversorgungsunternehmens

Der Bundesgerichtshof hat eine erste Entscheidung in der Klageserie gegen ein Berliner Fernwärmeversorgungsunternehmen gefällt, in der die Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln im Streit steht. Danach ist die Anpassungsklausel zum Bereitstellungs- beziehungsweise Grundpreis nicht zu beanstanden. Energieversorgungsunternehmen dürfe die Befugnis zur Anpassung der für unwirksam befundenen Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis nicht allgemein aberkannt werden.

Bereitstellungspreis und verbrauchsabhängiger Arbeitspreis in Rechnung gestellt

Die Beklagte beliefert die Kläger seit 2009 auf der Grundlage von Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV mit Fernwärme. Hiernach stellt die Beklagte ihren Kunden einen verbrauchsunabhängigen Bereitstellungspreis und einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis in Rechnung, die sie nach Maßgabe im Vertrag vorgesehener Preisänderungsklauseln jährlich anpasst.

Kunden verlangen nach KG-Urteil Rückerstattung überhöhter Wärmeentgelte

Im Januar 2019 entschied das Kammergericht in einem anderen gegen die Beklagte gerichteten Rechtsstreit, dass die auf den Arbeitspreis bezogene Preisänderungsklausel den Transparenzanforderungen in § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV nicht genüge und damit sämtliche in den Allgemeinen Versorgungsbedingungen der Beklagten enthaltenen Anpassungsklauseln – also auch die den Bereitstellungspreis betreffende – nach § 139 BGB unwirksam seien. Unter Berufung auf dieses Urteil verlangten nachfolgend mehrere ihrer Kunden von der Beklagten die Rückerstattung überhöhter Wärmeentgelte. Ab Mai 2019 legte die Beklagte ihren Abrechnungen eine geänderte Preisanpassungsformel zum Arbeitspreis zugrunde, welche sie zuvor öffentlich bekannt gegeben hatte.

Berufungsgericht gibt Zahlungsklage nur in geringem Umfang statt

Auch vorliegend haben die Kläger von der Beklagten mit ihrer Klage die Rückerstattung in den Jahren 2015 bis 2018 vermeintlich überzahlter Arbeits- und Bereitstellungspreise in Höhe von 1.980,77 Euro nebst Zinsen, die Feststellung der Unwirksamkeit der (ursprünglichen) Preisanpassungsklauseln sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur einseitigen Änderung der Preisanpassungsklausel nicht berechtigt gewesen sei. Das Berufungsgericht ist allerdings davon ausgegangen, dass die Unwirksamkeit nach § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV nur die Änderungsklausel zum Arbeitspreis, nicht aber auch diejenige zum Bereitstellungspreis erfasse, und hat der Zahlungsklage deshalb lediglich in Höhe von 4,66 Euro stattgegeben. Überdies hat es festgestellt, dass die Beklagte zur einseitigen Anpassung der Preisänderungsbestimmung zum Arbeitspreis ab Mai 2019 nicht berechtigt gewesen sei; eine solche Änderung sei nur mit Zustimmung des jeweiligen Kunden möglich.

BGH: Preisänderungsklauseln müssen Schicksal der Unwirksamkeit nicht teilen

Die Revisionszulassung hat das Berufungsgericht zulässigerweise auf die Fragen der Wirksamkeit der Preisänderungsklausel zum Bereitstellungspreis und der Berechtigung der Beklagten zur einseitigen Anpassung der Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis beschränkt. Beide Parteien haben gegen das Urteil Revision eingelegt. Der BGH hat entschieden, dass es sich bei in Allgemeinen Versorgungsbedingungen enthaltenen Preisänderungsklauseln zum Arbeitspreis einerseits und zum Bereitstellungs- beziehungsweise Grundpreis andererseits im Regelfall und auch vorliegend um inhaltlich voneinander trennbare Vertragsklauseln handelt, die jeweils Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV sind. Nach Maßgabe des § 306 Abs. 1 BGB (als der bei Formularbestimmungen gegenüber § 139 BGB vorrangigen Bestimmung) führe deshalb die Unwirksamkeit einer dieser Preisänderungsklauseln nicht zugleich zur Unwirksamkeit der anderen Anpassungsklausel.

Revision in Bezug auf Preisänderungsklausel zum Bereitstellungspreis erfolglos

Da die von der Beklagten in ihren Vertragsbedingungen vorgesehene Preisänderungsklausel zum Bereitstellungspreis als solche den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht, könnten die Kläger mithin vorliegend keine Rückzahlung des insoweit geleisteten Wärmeentgelts verlangen. Ihre hierauf gerichtete Revision blieb deshalb ohne Erfolg.

Befugnis zu Anpassung der Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis darf nicht allgemein verneint werden

Keinen Bestand habe das Berufungsurteil hingegen haben können, soweit hierin eine Befugnis der Beklagten zur Anpassung der für unwirksam befundenen Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis allgemein verneint worden war, so der BGH. Vielmehr seien Fernwärmeversorgungsunternehmen im Fall einer unwirksamen Preisänderungsklausel gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV grundsätzlich berechtigt und gegebenenfalls sogar verpflichtet, diese auch während eines laufenden Versorgungsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft einseitig an die Angemessenheits- und Transparenzanforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV anzupassen.

Feststellungen zu Gesetzeskonformität neuer Klausel erforderlich

Denn nur so könne für die typischerweise langfristig angelegten Wärmeversorgungsverhältnisse durchgängig eine kosten- und marktorientierte Preisbemessung und damit ein angemessener Ausgleich der Interessen von Versorger und Kunden gewährleistet werden. Dies habe er grundlegend bereits im Januar 2022 (ZIP 2022, 901) entschieden, betont der BGH. Davon ausgehend bedürfe es vorliegend zunächst weiterer Feststellungen dazu, ob die von der Beklagten ab Mai 2019 verwendete Änderungsklausel nunmehr den Vorgaben des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht. Auf die Revision der Beklagten sei das Berufungsurteil deshalb insoweit aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das KG zurückzuverweisen gewesen.

Weitere Rechtsfragen werden in kommenden Entscheidungen behandelt werden

Der BGH geht davon aus, dass er weitere Rechtsfragen (etwa zur Wirksamkeit der ursprünglichen Anpassungsklausel zum Arbeitspreis oder zur Anwendung der sogenannten Dreijahreslösung), die vorliegend aufgrund der beschränkten Revisionszulassung beziehungsweise aufgrund mangelnder Entscheidungserheblichkeit nicht zu beantworten gewesen seien, voraussichtlich zeitnah in kommenden Entscheidungen zu dieser Klageserie behandeln werde. Das beklagte Energieversorgungsunternehmen beliefert in einem Berliner Wohngebiet über 700 Kunden mit Fernwärme. Auch am Land- und Kammergericht in Berlin werden in diesem Zusammenhang derzeit noch weitere Rechtsstreitigkeiten geführt.

BGH, Urteil vom 06.04.2022 - VIII ZR 295/20

Redaktion beck-aktuell, Britta Weichlein, beck-aktuell-Redaktion, 12. Mai 2022.