Er­schüt­te­rung des An­scheins­be­wei­ses für eine pri­va­te Pkw-Nut­zung

Der für die Pri­vat­nut­zung eines be­trieb­li­chen Pkw spre­chen­de An­scheins­be­weis kann auch auf an­de­re Weise als durch das Vor­han­den­sein eines in Sta­tus und Ge­brauchs­wert ver­gleich­ba­ren Pkw im Pri­vat­ver­mö­gen er­schüt­tert wer­den. Dies hat das Fi­nanz­ge­richt Müns­ter ent­schie­den, aber die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen, um eine höchst­rich­ter­li­che Aus­for­mung von Kri­te­ri­en zur Er­schüt­te­rung des An­scheins­be­wei­ses der Pri­vat­nut­zung jen­seits der be­kann­ten Fall­grup­pen zu er­mög­li­chen.

Klä­ger hielt pri­va­te und be­trieb­li­che Fahr­zeu­ge

Zum Haus­halt der mit­ein­an­der ver­hei­ra­te­ten Klä­ger ge­hör­ten in den Streit­jah­ren 2015 und 2016 zwei voll­jäh­ri­ge Kin­der. Im Pri­vat­ver­mö­gen hiel­ten die Klä­ger im Streit­zeit­raum (teil­wei­se nach­ein­an­der) ins­ge­samt drei Klein­wa­gen, die in ers­ter Linie von den Kin­dern ge­nutzt wur­den. Der Klä­ger un­ter­hielt auf dem­sel­ben Grund­stück, auf dem sich auch das Wohn­haus der Fa­mi­lie be­fand, einen Gar­ten­bau­be­trieb, war aber haupt­be­ruf­lich an­der­wei­tig als Ar­beit­neh­mer be­schäf­tigt. Die Klä­ge­rin ar­bei­te­te auf Mini-Job-Basis im Be­trieb des Klä­gers.

Streit um An­wen­dung der 1%-Re­ge­lung

Im Be­triebs­ver­mö­gen hielt der Klä­ger neben einem dem Vor­ar­bei­ter zu­ge­ord­ne­ten Dienst­wa­gen einen BMW X3 und ab Fe­bru­ar 2015 einen Ford Ran­ger, für die keine Fahr­ten­bü­cher ge­führt wur­den. Für den BMW ver­steu­er­te er die Pri­vat­nut­zung nach der 1%-Re­ge­lung, wäh­rend er für den Ford Ran­ger kei­nen Pri­vat­nut­zungs­an­teil an­setz­te. Das Fi­nanz­amt wand­te dem­ge­gen­über auch für den Ford Ran­ger die 1%-Re­ge­lung an, da die pri­va­ten Fahr­zeu­ge in Sta­tus und Ge­brauchs­wert nicht mit die­sem Pkw ver­gleich­bar seien und nicht allen Fa­mi­li­en­mit­glie­dern je­der­zeit ein Fahr­zeug zur pri­va­ten Nut­zung zur Ver­fü­gung ge­stan­den habe. Zur Be­grün­dung ihrer Klage mach­ten die Klä­ger gel­tend, dass der Ford Ran­ger den Mit­ar­bei­ten­den des Be­triebs ar­beits­täg­lich per­ma­nent als Zug­ma­schi­ne zur Ver­fü­gung ste­hen müsse. Auf­grund des Ver­schmut­zungs­zu­stands sei es le­bens­fremd, die­ses Fahr­zeug an Wo­chen­en­den für Fa­mi­li­en­fahr­ten zu nut­zen. Hier­für blei­be wegen der ge­rin­gen jähr­li­chen Fahr­leis­tung von durch­schnitt­lich 8.900 Ki­lo­me­tern auch kein Raum.

FG: An­scheins­be­weis nicht durch ver­gleich­ba­ren BMW er­schüt­tert

Die Klage hatte Er­folg. Der Senat war nicht über­zeugt, dass der Pkw Ford Ran­ger tat­säch­lich auch pri­vat ge­nutzt wurde. Zwar spre­che der Be­weis des ers­ten An­scheins dafür, dass be­trieb­li­che Fahr­zeu­ge, die zu pri­va­ten Zwe­cken zur Ver­fü­gung ste­hen, auch tat­säch­lich pri­vat ge­nutzt wür­den. Die­ser An­scheins­be­weis sei hier aber er­schüt­tert. Zwar han­de­le es sich bei dem Ford Ran­ger um ein Fahr­zeug, das sich ty­pi­scher­wei­se auch für eine Pri­vat­nut­zung eig­net. Auch sei der eben­falls pri­vat ge­nutz­te be­trieb­li­che BMW X3 nicht ge­eig­net, den An­scheins­be­weis zu er­schüt­tern, da er wegen der be­trieb­li­chen Nut­zung nicht voll­um­fäng­lich für Pri­vat­fahr­ten zur Ver­fü­gung steht.

An­scheins­be­weis aber durch dar­ge­leg­ten Sach­ver­halt er­schüt­tert

Der Senat hat aber auf­grund des dar­ge­leg­ten Sach­ver­halts die ernst­haf­te Mög­lich­keit eines an­de­ren als des der all­ge­mei­nen Er­fah­rung ent­spre­chen­den Ge­sche­hens an­ge­nom­men. Zu­nächst sei nach­voll­zieh­bar, dass der Ford Ran­ger per­ma­nent auf­grund sei­ner Zug­kraft im Be­trieb ein­ge­setzt wurde. Dar­über hin­aus sei zu be­rück­sich­ti­gen, dass der Klä­ger sei­nen Gar­ten­bau­be­trieb nur als Ne­ben­tä­tig­keit aus­ge­übt hat und den Ford Ran­ger damit nicht ar­beits­täg­lich selbst ge­nutzt haben kann. Hier­durch sei die Mög­lich­keit einer Pri­vat­nut­zung er­heb­lich ein­ge­schränkt ge­we­sen. Zu be­rück­sich­ti­gen sei auch, dass beide Klä­ger für Wege zwi­schen Woh­nung und Ar­beits­stät­te auf­grund der kur­zen Ent­fer­nun­gen kei­nen Pkw be­nö­tigt hät­ten. Schlie­ß­lich habe der Ford Ran­ger auch nicht für be­stimm­te An­läs­se pri­vat ge­nutzt wer­den müs­sen, da die Ent­sor­gung von Grün­schnitt über einen auf dem Grund­stück be­find­li­chen Con­tai­ner er­folgt und für den Umzug der Toch­ter ein Trans­por­ter ge­lie­hen wor­den sei.

FG Münster, Urteil vom 16.08.2022 - 6 K 2688/19 E

Redaktion beck-aktuell, 15. September 2022.

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