USA blockieren Ernennung neuer WTO-Berufungsrichter

Bei internationalen Handelsstreitigkeiten über Zölle und Subventionen gibt es seit der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) ein anerkanntes Verfahren zur Streitschlichtung. Diesem Verfahren droht jetzt ein Stillstand, denn die USA blockieren seit Jahren die Ernennung neuer Berufungsrichter. "Der WTO droht damit die größte Krise seit ihrer Gründung 1995“, schreibt die Stiftung Wissenschaft und Politik in einer Analyse, die der dpa am 04.12.2019 vorlag.

Zahl der Berufungsrichter schrumpft gefährlich - Welthandelsordnung in Gefahr

Ihre Zahl war bereits von sieben auf drei geschrumpft. Am 10.12.2019 endet das Mandat von zwei weiteren Richtern. Damit fällt ein zentrales Element der Streitschlichtung aus. Das Problem könnte "letztlich zur Auflösung der bestehende Welthandelsordnung führen“, berichtete der als Vermittler tätige neuseeländische WTO-Botschafter David Walker am 03.12.2019 in Genf. Leider gebe es keine Einigung auf eine Verlängerung der Mandate. Lediglich die Dispute, bei denen die Anhörungen schon stattfanden, sollen noch abgeschlossen werden.

Streitschlichtungsverfahren unentbehrlich für die WTO

Das Streitschlichtungsverfahren gilt als größte Errungenschaft der WTO. Alle 164 Mitglieder beugen sich den Entscheidungen. In einem der langwierigsten Fälle durch alle Instanzen unterlag etwa die EU im Streit um rechtswidrige Airbus-Subventionen und muss deshalb seit Oktober milliardenschwere US-Strafzölle hinnehmen. Etwa in zwei Drittel aller Fälle rufen WTO-Mitglieder das Berufungsgremium an.

Richterernennung immer wieder von USA blockiert

Die USA blockieren die Ernennung neuer Richter seit Jahren. Auch der Vorgänger von US-Präsident Donald Trump, Barack Obama, hatte bereits schwere Vorbehalte gegen das Vorgehen der Richter vorgebracht. Die USA monieren unter anderem, dass die Berufungsrichter ihre Kompetenzen überschritten. Nach Ansicht der USA prüften die Berufungsrichter nicht nur die ursprünglich von Schlichtern erzielten Urteile rechtlich, sondern schafften neues Recht durch ihre eigene Auslegung von WTO-Regeln. Zudem verstoße die Praxis, dass Richter über ihr Mandat hinaus im Amt bleiben, wenn Fälle, die sie betreuen, noch nicht abgeschlossen sind, gegen die WTO-Regeln.

Alle Seiten bedauern fehlenden Konsens

Die USA haben zwar Reformen gefordert, aber keine konkreten Vorschläge vorgelegt. Die Vereinigten Staaten bedauern, dass es keinen Konsens über das weitere Vorgehen gebe. "Das ist enttäuschend, bedenkt man die großen Anstrengungen, die die USA unternommen haben, um ihre Sorgen darüber zu erklären, dass das Berufungsgremium ständig die WTO-Regeln verletzt“, sagte US-Botschafter Dennis Shea. Mehr als 100 Länder haben sich für Verhandlungen über Reformen ausgesprochen, die USA aber aufgefordert, das Berufungsgremium im Gegenzug nicht lahmzulegen. Die USA haben das abgelehnt. Die EU bedauerte die US-Blockade. "Unserer Ansicht nach untergräbt das die Stabilität des Streitschlichtungsverfahrens", sagte der EU-Vertreter.

Fortsetzung der bisherigen Praxis auch ohne USA denkbar

Trump will Handelsdispute im Alleingang lösen, unter anderem mit massiven Zöllen gegen die EU, China und andere Länder. Dagegen haben die Betroffenen bei der WTO Verfahren angestrengt. Ohne ein funktionierendes Berufungsgremium können diese Verfahren aber nicht abgeschlossen werden. Die WTO-Mitglieder könnten sich ohne die USA auf eine Fortsetzung der bisherigen Praxis einigen, meint die Stiftung Wissenschaft und Politik in ihrer Analyse. Dafür würde aber der in der WTO nötige Konsens gebrochen.

Neue Wege der Streitschlichtung

Die US-Regierung hat gedroht, ihre finanziellen Beiträge dann zu reduzieren, und Trump sprach in anderem Zusammenhang auch schon davon, die WTO ganz zu verlassen. Möglicherweise müsse die EU bei Handelsdisputen eine Streitschlichtung künftig bilateral oder durch ihre regionalen Handelsabkommen regeln, so die Stiftung.

Redaktion beck-aktuell, 5. Dezember 2019 (dpa).