Ermittlungsverfahren gegen Landrat nach Flutkatastrophe im Ahrtal
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© Thomas Frey / dpa

Nach der Unwetterkatastrophe im Ahrtal wird gegen den Landrat des Kreises Ahrweiler und gegen einen weiteren Beschuldigten aus dem Krisenstab ermittelt. Wie die Staatsanwaltschaft in Koblenz am Freitag mitteilte, geht es um den Verdacht der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen – unter anderem wegen verspäteter Warnungen. Die polizeilichen Ermittlungen hat das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz übernommen.

Evakuierung von Bewohnern war möglicherweise geboten

 

Am 14.07.2021 und in der Nacht zum 15.07.2021 kam es im Ahrtal zu der Flutkatastrophe, die ihre Ursache in starken und langanhaltenden Regenfällen hatte. Hierdurch schwollen Zuflüsse der Ahr und diese selbst stark an. Es kam zu massiven Überschwemmungen. Durch die tragischen Ereignisse fanden – nach dem derzeitigen Stand – 141 Menschen den Tod, über 700 Menschen wurden verletzt. Die Staatsanwaltschaft hat nach eigenen Angaben aus den ihr zugänglichen Quellen versucht, die Ereignisse vorläufig nachzuvollziehen. Auch wenn dies naturgemäß nicht vollständig möglich gewesen sei, hätten sich hieraus zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass am 14.07.2021 spätestens ab etwa 20.30 Uhr Gefahrenwarnungen und möglicherweise auch die Evakuierung von Bewohnern des Ahrtals, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht von der Flutwelle betroffen waren, geboten gewesen wären.

Mitursächlichkeit für Todesfälle möglich

Dies – so der Anfangsverdacht – dürfte in einer als fahrlässig vorwerfbaren Begehungsweise offenbar nicht, nicht in der gebotenen Deutlichkeit oder nur verspätet erfolgt sein. Der Anfangsverdacht erstrecke sich weiterhin darauf, dass ein entsprechendes Unterlassen jedenfalls für einen Teil der Todesfälle und der entstandenen Personenverletzungen (mit)ursächlich geworden sei. Eine Auswertung der bei der Staatsanwaltschaft geführten Todesermittlungsverfahren habe insoweit ergeben, dass sich die Todesfälle überwiegend ahrabwärts von Ahrbrück aus mit einem großen Schwerpunkt in der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler ereignet haben. In der rechtlichen Gesamtschau habe die Staatsanwaltschaft daher den Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung gegebenenfalls im Amt – jeweils begangen durch Unterlassen – bejaht und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Ermittlungen gegen Landrat und einen weiteren Beschuldigten

Dieses richte sich derzeit gegen den Landrat des Kreises Ahrweiler, weil dieser nach den Regelungen des Landesbrand- und Katastrophenschutzgesetzes Rheinland-Pfalz möglicherweise die Einsatzleitung und alleinige Entscheidungsgewalt hatte. Das Verfahren richte sich zudem gegen ein weiteres Mitglied des Krisenstabs, das nach den derzeitigen Erkenntnissen die Einsatzleitung zumindest zeitweise übernommen hatte.

Unschuldsvermutung in besonderer Weise betont

Im Rahmen des Verfahrens seien heute bereits Unterlagen und Daten des Krisenstabes des Landkreises Ahrweiler sowie die persönlichen Kommunikationsmittel beider Beschuldigter sichergestellt worden. Die Staatsanwaltschaft wies eindrücklich darauf hin, dass derzeit lediglich ein Anfangsverdacht bestehe, der naturgemäß auf einer mit Unsicherheiten und Lücken behafteten Erkenntnislage beruhe. Gerade deshalb und wegen der Dramatik der Ereignisse und der schrecklichen Folgen, die diese gehabt haben, betonte sei die hinsichtlich der Beschuldigten bestehende Unschuldsvermutung in besonderer Weise. Die zu führenden Ermittlungen würden vermutlich einige Zeit in Anspruch nehmen, so dass mit schnellen Ergebnissen nicht zu rechnen sei.

Redaktion beck-aktuell, 6. August 2021.