Erfolgreicher Befangenheitsantrag: LG Berlin setzt neuen Mordprozess um Kurfürstendamm-Autorennen aus

Der neu aufgerollte Mordprozess um ein illegales Autorennen mit tödlichem Ausgang auf dem Kurfürstendamm in Berlin ist vorerst geplatzt. Das Landgericht Berlin hat mit Beschluss vom 27.08.2018 einem Ablehnungsgesuch der Angeklagten gegen die drei Berufsrichter der bislang zuständigen 40. Großen Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit stattgegeben (Az.: 540 Ks 4/18) und die Hauptverhandlung deswegen ausgesetzt.

Verteidigung stellte Ablehnungsgesuch

Die Verteidigung des Angeklagten N. hatte in ihrem am 14.08.2018, dem ersten Hauptverhandlungstag, gestellten Ablehnungsgesuch ausgeführt, dass der Haftfortdauerbeschluss der Kammer vom 28.03.2018 die Befürchtung wecke, die Richter könnten nicht unvoreingenommen urteilen, weil sie sich in ihrer Begründung zu sehr auf das vom Bundesgerichtshof aufgehobene Urteil der 35. Großen Strafkammer des LG Berlin in der ersten Instanz stützen würden. Diesem Antrag hatte sich auch der Angeklagte H. angeschlossen.

LG: Formulierungen im Haftfortdauerbeschluss begründen Besorgnis der Befangenheit

Das LG Berlin hat das Ablehnungsgesuch der Angeklagten nun für begründet erachtet. Laut LG entschied es dabei in der geschäftsplanmäßigen Besetzung eines Vorsitzenden und zweier Beisitzer als Vertreter der abgelehnten Richter. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass zwar die Beteiligung von Richtern an im Vorfeld einer Hauptverhandlung zu treffenden Entscheidungen (etwa über Haftfragen oder die Eröffnung der Hauptverhandlung) grundsätzlich nicht geeignet sei, Misstrauen hinsichtlich der Unparteilichkeit der an der Entscheidung beteiligten Richter zu wecken. Im vorliegenden Fall ließen jedoch einzelne Formulierungen und Argumente in der Begründung des Haftfortdauerbeschlusses der Richter diesen Rückschluss ausnahmsweise zu.

Vertretungsrichter sehen aber keine tatsächliche Befangenheit gegeben

Die Vertretungsrichter sahen zwar laut ihrem Beschluss keine tatsächliche Befangenheit der abgelehnten Richter gegeben. Gemäß § 24 Abs. 2 StPO reiche aber die Besorgnis der Befangenheit aus. Es genüge also, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Einen solchen sah das LG gegeben.

Aufgehobenes LG-Urteil hätte für Haftfortdauerentscheidung nicht herangezogen werden dürfen

Das LG führt aus, dass die Angeklagten nach der BGH-Entscheidung darauf hätten vertrauen können, dass das aufgehobene Urteil als Grundlage nachfolgender Entscheidungen nicht mehr herangezogen wird und das nunmehr erkennende Gericht eigenständig und völlig frei neue Feststellungen treffen wird. Dies gelte nicht nur für die Feststellungen, sondern auch für die Erwägungen, die die 35. Strafkammer in ihrem Urteil angestellt habe. Denn der BGH habe sowohl hinsichtlich eines bedingten Tötungsvorsatzes als auch einer mittäterschaftlichen Begehungsweise darauf hingewiesen, dass die entsprechenden Beweiserwägungen in dem angefochtenen Urteil einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten.

Haftfortdauerbeschluss erweckt Eindruck der Vorfestlegung

Der Haftfortdauerbeschluss erwecke jedoch mit seinen Formulierungen auch aus Sicht eines besonnenen Angeklagten den Eindruck, dass die abgelehnten Richter sich hinsichtlich des maßgeblichen Sachverhaltes und dessen Beurteilung bereits – in für den Angeklagten nachteiliger Weise – festgelegt hätten, und lasse einen Hinweis auf die Vorläufigkeit der Betrachtungen und Würdigungen vermissen.

Redaktion beck-aktuell, 28. August 2018.