Erdogan droht türkischen Anwälten mit Suspendierungen

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich mit scharfen Drohungen an Anwälte und Anwaltskammern in der Türkei gewandt. Erdogan warf ihnen vor, Terroristen zu unterstützen, und drohte, sie von ihren Berufen zu suspendieren. “So wie Personen, die so enge Beziehungen zu Terrororganisationen haben, in anderen Behörden aus dem Dienst suspendiert werden, so muss meiner Meinung nach diskutiert werden, ob so eine Methode auch für Anwälte notwendig ist“, sagte Erdogan am 01.09.2020.

Erdogan verurteilt Solidarität mit der nach Hungerstreik verstorbenen Anwältin Ebru Timtik

Seit dem Putschversuch im Jahr 2016 geht die Türkei regelmäßig mit Razzien gegen mutmaßliche Terroristen vor. Dabei stehen besonders Justiz, Militär und Polizei im Fokus. Kritiker sehen darin aber auch ein Vorgehen gegen Oppositionelle in diesen Institutionen. Erdogan übte zudem Kritik an der Istanbuler Anwaltskammer. Sie habe kürzlich das Foto einer im Hungerstreik gestorbenen Anwältin aufgehängt, die Terroristen unterstützt habe. Medienberichten zufolge hatte die Anwaltskammer der Hauptstadt ein Bild der Menschenrechtsanwältin Ebru Timtik aufgehängt, nachdem sie in Folge eines Hungerstreiks in Haft gestorben war. Die Anwältin hatte mit dem Streik einen fairen Prozess erreichen wollen.

Anwälte in der Türkei unter großem Druck

Nach Angaben von Unterstützern gehörte Timtik zu insgesamt 18 Anwälten in der Türkei, die wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Alle seien in Vereinigungen engagiert, die häufig Oppositionelle verträten, hieß es. Ein Gericht in Istanbul hatte Timtik 2019 zu mehr als 13 Jahren verurteilt. Anwälte in der Türkei sehen sich großem Druck ausgesetzt. Das türkische Parlament hatte im Juli eine umstrittene Gesetzesänderung zur Neuorganisation von Anwaltskammern verabschiedet. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und die Internationale Juristenkommission kritisierten die Reform scharf. Ziel sei es, die Kammern politisch zu spalten. Das Vorhaben trage auch dazu bei, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Justizsystems zu untergraben, hieß es.

Redaktion beck-aktuell, 1. September 2020 (dpa).