Ein Fachanwalt für Steuerrecht erzielte für seine Mandantin einen Verkaufserlös für ein Grundstück in Höhe von 125.000 Euro, der weit über dem ermittelten Wert von 76.000 Euro lag. Da sie im Falle ihres Todes ihrem Sohn nach Möglichkeit keinen Zugang zum beträchtlichen Erbe gewähren wollte, schlug der Anwalt ihr einen Plan vor, den sie anschließend verfolgten: Mit Hilfe einer ihm gehörenden Gesellschaft setzte er stellvertretend als deren Geschäftsführer einen undurchsichtigen Darlehensvertrag über eine Laufzeit von 15 Jahren ohne Kündigungsmöglichkeit und mit Rückzahlung, bzw. Zinszahlung erst am Ende der Laufzeit auf. Die Zinsen sollten bei 0,5 % p. a. liegen.
Mit dieser Konstruktion wollte er die Erbansprüche ihres Sohnes umgehen. Er versicherte ihr, an das Geld werde niemand rankommen. Im Falle ihres Todes sollte die Tochter der Mandantin dann das verbleibende Vermögen in Gänze erhalten. Hinzu kam eine umfassende Verschwiegenheitsklausel und eine Klausel, die vorsah, dass der Vertrag auch nach ihrem Tod nicht widerrufbar sein sollte.
AnwG sah Untreue erfüllt
Später kam es jedoch zu Unstimmigkeiten zwischen der Frau und ihrem Anwalt, nachdem dieser u. a. Auskünfte über den aktuellen Vermögensstand sowie Zahlungsaufforderungen verweigert hatte. Daher wollte sie das Darlehen vorzeitig beenden. Der Jurist teilte ihr daraufhin mit, dass eine kurzfristige Kündigung des Darlehensvertrags freilich möglich, aber an Konsequenzen gebunden sei, die ein solches Vorgehen wirtschaftlich unvernünftig erscheinen ließen. Im Rahmen einer Besprechung im Oktober 2015 legte er ihr eine Ergänzungsvereinbarung zu dem Darlehensvertrag vor und forderte sie auf, diese unverzüglich zu unterschreiben, wenn sie die ursprüngliche Vereinbarung beendet haben wolle. Demnach valutierte das Darlehen noch auf einen Betrag i. H. v. 33.240,11 Euro. Bei vorzeitiger Beendigung des Darlehensvertrages sollten nur 25.000 Euro zahlbar sein, von denen 6.000 Euro auf weitere Vergütungsforderung aus seiner Anwaltstätigkeit entfallen würden und daher nicht zu zahlen wären. Damit wären mit 19.000 Euro alle ihre Ansprüche abgegolten gewesen, womit sich die Mandantin nicht einverstanden erklärte.
Sodann kündigte sie das Mandat. Daraufhin schickte der Jurist ihr eine Endabrechnung für sein Anwaltshonorar und überwies sich als Geschäftsführer 773,50 Euro vom Verrechnungskonto seiner Firma auf sein Kanzleikonto. Den offengebliebenen Restbetrag des Darlehens von rund 14.000 Euro hat er bis heute nicht zurückbezahlt. 2020 schloss ihn das Anwaltsgericht daher wegen Verstoßes gegen §§ 43, 43a V BRAO (Allgemeine Berufspflicht, Grundpflichten) in Verbindung mit § 266 I StGB (Untreue) aus der Rechtsanwaltschaft aus. Hiergegen ging er weiter vor und erreichte schließlich, dass der BGH die Sache zur neuerlichen Verhandlung an den AGH Brandenburg zurückverwies. Dieser reduzierte seine Strafe nun auf eine Geldbuße in Höhe von 20.000 Euro.
Anwalt und Darlehensnehmer gleichzeitig
Der AGH kam zu dem Ergebnis, dass sich der Anwalt wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen schuldig gemacht habe (Urteil vom 20.08.2024 – 1 AGH 2/24). Die Vermengung von Mandat und den wirtschaftlichen Interessen des wirtschaftlich allein ihm gehörenden Unternehmens gehe zu Lasten seiner Mandantin, so die Kritik der Brandenburgischen Richterinnen und Richter. Mit dem Vertragswerk habe er seiner Firma für die Dauer von 15 Jahren Kapital verschafft, ohne dafür irgendwelche Sicherheiten gewähren zu müssen. Jegliches Ausfallrisiko habe er seiner Mandantin aufgebürdet. Dies bedeute einen schweren Verstoß gegen seine anwaltlichen Berufspflichten. Ein grundsätzliches Vertretungsverbot nach § 114 I Nr. 4 BRAO sei jedoch nicht angezeigt.
Indem der Jurist die Witwe in deren erbrechtlicher Angelegenheit umfassend anwaltlich beraten und vertreten und gleichzeitig den Darlehensvertrag ausgearbeitet und abgeschlossen habe, seien beide zugrunde liegenden Lebenssachverhalte miteinander verklammert worden, so der AGH. Zwischen beiden Tätigkeiten habe damit ein widerstreitendes Interesse bestanden. Dazu gehörte es, die Interessen seiner Mandantin an der Erhaltung des Nachlasses zugunsten der Tochter zu gewährleisten und dies zu ihrem Wohl wahrzunehmen. Als Geschäftsführer habe wiederum ein Interesse daran bestanden, eine möglichst langfristige Darlehensaufnahme zu vereinbaren.
Nach erfolgter Beweisaufnahme konnten aber letztlich weder ein Betrug nach § 263 StGB noch eine Untreue nach § 266 StGB mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden.