Entwurf für Corona-Impfpflicht im Bundestag gescheitert
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© Kay Nietfeld / dpa

Der Entwurf für die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht in Deutschland ist im Bundestag gescheitert. Den Vorschlag für eine Pflicht zunächst ab 60 Jahren lehnten am Donnerstag 378 Abgeordnete ab, dafür votierten 296 Abgeordnete. Neun enthielten sich. Für eine allgemeine Impfpflicht hatte sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgesprochen. Wegen Meinungsverschiedenheiten hatte die Ampel-Koalition aber keinen Regierungsentwurf eingebracht. Abgestimmt wurde daher ohne Fraktionsvorgaben.

Keine Mehrheit für Kompromiss-Entwurf

Um eine Mehrheit zu erreichen, hatten Abgeordnete aus SPD, FDP und Grünen noch einen Kompromiss-Entwurf vorgelegt. Dafür weichten die Befürworter einer Impfpflicht ab 18 Jahren ihren Vorschlag auf und einigten sich mit einer Abgeordnetengruppe, die für eine mögliche Impfpflicht ab 50 eintrat, auf eine gemeinsame Initiative. Dieser Vorschlag wurde als einziger ausgearbeiteter Gesetzentwurf zur Abstimmung gestellt, verfehlte aber eine Mehrheit. Konkret sahen die Pläne vor, dass für alle ab 60 Jahren eine Pflicht kommen sollte, bis zum 15. Oktober über einen Impf- oder Genesenennachweis zu verfügen. Für 18- bis 59-Jährige, die nicht geimpft sind, sollte zunächst eine Beratungspflicht kommen. Über die Pflichten, Beratungs- und Impfangebote sollten die Krankenkassen bis 15. Mai die Bürger informieren.

In Deutschland 76% der Einwohner geimpft

Seit Beginn der Pandemie war eine allgemeine Impfpflicht lange über Parteigrenzen hinweg ausgeschlossen worden. Angesichts schleppender Impfungen sprachen sich Ende vergangenen Jahres Scholz und die Ministerpräsidenten doch dafür aus. Aktuell haben mindestens 63,2 Millionen Menschen oder 76% aller Einwohner den Grundschutz mit der nötigen zweiten Spritze. Die Impf-Kampagne ist aber nahezu zum Erliegen gekommen. Bereits seit Mitte März greift eine Impfpflicht für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen. In der Aussprache unmittelbar vor der Abstimmung im Bundestag hatten sich Befürworter und Gegner einer allgemeinen Impfpflicht einen heftigen Schlagabtausch geliefert.

Enttäuschung bei Befürwortern einer Impfpflicht

Befürworter einer Impfpflicht reagierten enttäuscht und besorgt auf das Scheitern. "Jetzt wird die Bekämpfung von Corona im Herbst viel schwerer werden", erklärte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf Twitter, fügte aber zugleich hinzu: "Es helfen keine politischen Schuldzuweisungen. Wir machen weiter." Der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann, der den Kompromissentwurf mitgetragen hatte, sagte im TV-Sender Phoenix, zumindest eine Beratungspflicht solle kommen. Der Grünen-Experte Janosch Dahmen schrieb bei Twitter, das Scheitern schmerze ihn als Arzt, weil das Risiko für vulnerable und ältere Menschen und die Belastung des Gesundheitspersonals hoch blieben.

Harter Schlagabtausch vor Abstimmung

In der Aussprache vor den Abstimmungen war es erneut zu einem harten Schlagabtausch gekommen. SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt warb auch angesichts der Folgen des Ukraine-Krieges für eine Impfpflicht: "Wir haben heute die Chance, im Herbst nicht auch noch mit den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zurechtkommen zu müssen." Lauterbach appellierte an die Union: "Wir brauchen heute einmal ihre staatstragende Unterstützung, um im Herbst anders dazustehen als wir jetzt stehen." Der CDU-Gesundheitsexperte Tino Sorge warf der Ampel-Koalition dagegen vor, nicht ernsthaft auf die Union zugegangen zu sein. FDP-Vize Wolfgang Kubicki, der einen Antrag gegen eine Impfpflicht initiiert hatte, sagte, es sei nicht Aufgabe des Staates, erwachsene Menschen gegen ihren Willen zum Selbstschutz zu verpflichten. Die Linke-Abgeordnete Sahra Wagenknecht forderte: "Die Corona-Impfung muss eine persönliche Entscheidung bleiben." Nach dem Entwurf für die Impfpflicht wurden auch alle anderen vorgelegten Anträge abgelehnt. Die FDP-Spitze erläuterte in einer schriftlichen Erklärung ihr Nein bei der Abstimmung. Im Moment lasse sich eine Impfpflicht "nicht ausreichend gut begründen", erklärte darin unter anderem Parteichef und Finanzminister Christian Lindner. Die AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla sprachen nach der Ablehnung der Impfpflicht von einem "guten Tag für die Grundrechte" und einer schweren Niederlage für Scholz und Lauterbach.

Britta Weichlein, Redaktion beck-aktuell, 7. April 2022 (dpa).