Energietransporte auf der Schiene künftig vorrangig

Um die Stromversorgung in der Energiekrise in Deutschland zu sichern, sollen Energietransporte vorübergehend Vorrang auf der Schiene haben. Das hat die Bundesregierung am Mittwoch in einer Rechtsverordnung festgelegt, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zusammen mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr erarbeitet hat. Ziel sei es, den Betrieb von Kraftwerken, Raffinerien und Stromnetzen sicherzustellen.

Lieferwege müssen umgestellt werden

"Wir wollen uns so schnell wie möglich aus der Klammer der russischen Energieimporte befreien", betonte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Russisches Gas im Stromsektor müsse auch durch Kraftwerkskohle und Mineralöl ersetzt werden. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssten die Lieferwege umgestellt werden. Das verlange eine sehr anspruchsvolle Logistik, die es notwendig mache, Energietransporte auf der Schiene zu priorisieren, so Habeck.

Wissing: Klare Regeln erforderlich

Die Binnenschifffahrt könne bedingt durch das Niedrigwasser nur reduzierte Lasten transportieren und die wichtigen Bahntrassen seien auch ohne zusätzliche Energietransporte teilweise bereits über-, zumindest aber stark ausgelastet, sagte Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Digitales und Verkehr. Umso wichtiger sei es, bereits heute klare Regeln zu schaffen, bevor der Energiebedarf und damit die Nachfrage nach Energietransporten in Herbst und Winter steigt, betonte Wissing.

Rechtsrahmen für Priorisierung

Die Rechtsverordnung basiert auf der Grundlage des novellierten Energiesicherungsgesetzes (§ 30) und wird auf sechs Monate befristet. Sie sieht vor, dass Energieträgertransporte per Bahn und der schienengebundene Transport von Großtransformatoren bei Gefährdung des sicheren und zuverlässigen Betriebs der Elektrizitätsversorgung und bei Gefährdung des Betriebs von Raffinerien und der Mineralölversorgung Vorrang bei der Nutzung des Schienennetzes haben sollen.

Transporte von Erdöl und Erdölerzeugnissen

Dabei geht es um Transporte von Erdöl und Erdölerzeugnissen sowie von festen, flüssigen und gasförmigen Energieträgern. Großtransformatoren sind Kernelemente für Energieversorgungsnetze, die sich wegen ihrer Größe nur auf der Schiene transportieren lassen. Bei Ausfall oder Zerstörung von Transformatoren ist ein schneller Ersatz beziehungsweise eine schnelle Reparatur notwendig, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten.

Klar definiertes Energiekorridor-Netz

Die Eingriffe in den Schienenverkehr sollen so gering wie möglich gehalten werden, um auch andere Güterarten weiterhin den Bedarfen entsprechend transportieren zu können und Ausfälle beziehungsweise Verspätungen im Personenverkehr weitestgehend zu vermeiden. Die Priorisierung erfolgt innerhalb eines klar definierten Energiekorridor-Netzes. Diesem liegen die Transportbedarfe der Energie- und Mineralölwirtschaft zugrunde (zum Beispiel vom Hafen zum Kraftwerk). Sollte eine Beschränkung anderer Schienenverkehre nötig sein, wird ein abgestuftes Priorisierungsverfahren vorgesehen, um den betrieblichen Vorrang von Energieträgertransporten und Großtransformatoren zu gewährleisten. Entschädigungen richten sich nach dem Energiesicherungsgesetz.

Schienenlärmschutz eingeschränkt

Zur Gewährleistung einer stabilen Energieversorgung und aufgrund bestehender Kapazitätsengpässe auch beim Wagenmaterial kann es erforderlich sein, auch solche Güterwagen einzusetzen, die nicht mehr den geltenden Lärmschutzstandards entsprechen. Die Vorschriften des Schienenlärmschutzgesetzes werden daher in diesem besonderen Ausnahmefall von der Anwendung ausgeschlossen.

Bundesnetzagentur prüft Priorisierung

Regulierungsbehörde ist die Bundesnetzagentur. Sie überprüft, ob die Priorisierung rechtmäßig ist. Um eine Verzögerung des Zuweisungsverfahrens und also der Transporte auszuschließen, geschieht die Prüfung nachträglich.

Redaktion beck-aktuell, 24. August 2022.