Energieeffizienzgesetz unter Sachverständigen umstritten

Industrieverbände stehen dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur "Steigerung der Energieeffizienz und zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes" ablehnend gegenüber. Das wurde während der Anhörung im Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie deutlich, wie der parlamentarische Pressedienst mitteilte. Der Entwurf habe aber auch Zuspruch gefunden, wobei teils das Fehlen verbindlicher Vorgaben kritisiert worden sei.

Entwurf: Sektorübergreifender Rahmen für mehr Energieeffizienz

Das Energieeffizienzgesetz verpflichtet Behörden, Unternehmen und Rechenzentren entsprechend der EU-Vorgaben ab 2024 Energieeinsparmaßnahmen zu ergreifen, um mehr Energie einzusparen. Mit ihm wird laut Bundesregierung erstmals ein sektorübergreifender Rahmen für mehr Energieeffizienz geschaffen. Für Unternehmen mit einem Jahresenergieverbrauch von mehr als 15 Gigawattstunden soll künftig die Pflicht gelten, Energie- oder Umweltmanagementsysteme einzuführen und ihre Energieeffizienzmaßnahmen in konkreten Plänen zu erfassen und zu veröffentlichen. Zudem müssen Unternehmen zukünftig vermeiden, dass bei Produktionsprozessen Abwärme entsteht. Falls das nicht möglich ist, müssen sie die Abwärme sinnvoll verwerten. Für Rechenzentren soll es zukünftig Energieeffizienzstandards geben.

Industrie moniert "unnötige Bürokratie"

Sebastian Bolay vom Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) sah in den erweiterten Vorgaben für Energie- und Umweltmanagementsysteme sowie zur Erstellung und Veröffentlichung von Umsetzungsplänen eine "unnötige Bürokratie", die in weiten Teilen ohnehin Bestandteil der einschlägigen Normenanforderungen sei. Der DIHK plädiere dafür, die EU-Energieeffizienzrichtlinie 1:1 umzusetzen, sagte er. Aus den Vorgaben ergebe sich keine Verpflichtung, dass sich Deutschland ein verbindliches Endenergieeinsparziel setzt. Aus Sicht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) muss "Qualität vor Tempo gehen". Ein "Augen zu und durch, egal wie" zum Abschluss des Gesetzes in ein oder zwei Wochen dürfe es nicht geben, sagte der BDI-Vertreter Eberhard von Rottenburg. Das Gesetz gehe an verschiedenen Stellen teils sehr deutlich über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus. "Bei sehr vielen Unternehmen stößt dies gerade zum jetzigen Zeitpunkt auf blankes Unverständnis", sagte er. Die deutsche Industrie sei schon jetzt hocheffizient und dafür auch international bekannt. Durch die Energiepreise werde sie zu weiteren Effizienzanstrengungen angereizt, "ganz ohne staatliches Handeln".

Zielkonflikte mit Abwärmenutzung

Die pauschale Nutzung von Abwärme, wie sie das Gesetz vorschreibe, ist nach Einschätzung von Martin Kaspar vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) "wenig hilfreich", weil die Abwärmenutzung im Zielkonflikt mit anderen investiven Maßnahmen stehe. Sinnvoll sei eine Betrachtung der Abwärme im Gesamtkontext, statt deren Herauslösung. Kritisch sieht der VCI auch die geplanten Veröffentlichungspflichten. Dort schlummerten auch viele Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.

Umweltinstitut: Freiwillige Selbstverpflichtungen reichen nicht

Tatjana Ruhl von der Deutschen Unternehmensinitiative für Energieeffizienz sieht hingegen durch den Entwurf die Wirtschaft und den Standort durch höhere Energieproduktivität gestärkt. Nur eine höhere Energieeffizienz führe zu wettbewerbsfähigen Energiekosten. Das Umweltinstitut München bemängelte, dass der Entwurf keine verbindlichen Maßnahmen zur Erreichung der Effizienzziele enthalte. So werde es nicht gelingen, die vorhandenen Potentiale zu heben, sagte der Vertreter des Instituts. Dabei sei aus allen erdenklichen Politikbereichen bekannt, "dass freundliche Einladungen und freiwillige Selbstverpflichtungen nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt haben". Selbst hochwirtschaftliche Effizienzmaßnahmen würden bisher nicht umgesetzt.

Bitkom kritisiert Vorgaben zur Abwärmenutzung für Rechenzentren

Der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche (Bitkom) bewertete den Entwurf mit Blick auf das Thema Abwärmenutzung von Rechenzentren als unausgewogen und inkonsequent. Es würden die Potentiale der Digitalisierung zur Erreichung der Klimaziele verkannt, indem die dafür notwendigen Rechenzentren als infrastrukturelle Basis mit nicht erfüllbaren Vorgaben belastet würden. Rechenzentren sollten konzeptionell die Nutzung von Abwärme vorsehen. Über die konkrete Nutzung müsse jedoch im lokalen Einzelfall entschieden werden.

Umweltbundesamt: Effizientere Rechenzentren stärken Standort Deutschland  

Jens Gröger vom Öko-Institut sagte, der Strombedarf von Rechenzentren steige sehr stark an. Der Strom, der dort hineingeht, verlasse das Rechenzentrum später als Wärme wieder. "Diese Wärme sollten wir als Grundlast in Wärmenetze einspeisen", forderte er. Rechenzentrum könnten also trotz hohem Energieverbrauch auch Teil der Lösung sein. Durch das geplante Energieeffizienzregister für Rechenzentren werde erstmalig eine umfassende Übersicht darüber geschaffen, wie hoch der Energieverbrauch von Rechenzentren in Deutschland ist und welche Treibhausgasemissionen auf diese Branche entfielen. Damit könne Deutschland international eine Vorbildrolle einnehmen. Ähnlich sah das Marina Köhn vom Umweltbundesamt. Bei Rechenzentren gebe es große Effizienzpotentiale. Daher sei es richtig, dass der Gesetzgeber die IT-Betreiber zwinge, "die Auslastung ihrer Rechner zu monitoren und darüber Bericht zu erstatten". So könne es endlich einen fairen Wettbewerb zu mehr Energieeffizienz geben, der derzeit nicht stattfinde. "Das Gesetz stärkt den Standort Deutschland, weil die Rechenzentren effizienter werden", sagte Köhn. So komme man einer nachhaltigen Digitalisierung immer näher. 

Ingenieur: Warnung vor Abwanderung von Rechenzentren

Frank Hennig, Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung, befürchtet, dass als Folge der geplanten Regelung Investitionen in Rechenzentren in Deutschland nicht mehr realisiert werden. Hohe Energiekosten und ausufernde Bürokratie würden auch in dieser Branche zur Abwanderung führen, sagte er. Die Verlagerung von Datenverarbeitung ins Ausland sei aber für die weitere Digitalisierung kontraproduktiv und der Datensicherheit abträglich. 

Uni-Mitarbeiter: Großteil der Einsparmöglichkeiten nicht erschlossen

Marius Madsen, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Niederrhein und Koautoren der "Kurzstudie Energieeffizienzmaßnahmen in der Industrie" sagte, die deutsche Industrie sei in der Lage, rund 44% ihres Endenergiebedarfs des Jahres 2021, also 410 von 940 TWh/a, durch wirtschaftliche und standardmäßig verfügbare Energieeffizienz-Technologien zu erschließen. Dies könne ohne Produktionsbeschränkungen erfolgen und gleichzeitig zu einer hohen wirtschaftlichen Zusatzrendite führen, betonte er. Allerdings würden derzeit 60% dieser Energieeffizienzpotentiale nicht erschlossen. Obwohl sie wirtschaftlich attraktiv seien, erfüllten sie nicht die Kriterien der "Marktnähe", weil sie zwar eine sehr attraktive Rendite hätten, "sich aber nicht innerhalb von drei Jahren amortisieren".

Kommunen stellen Finanzierungsfrage

Als Vertreterin des Deutschen Städte- und Gemeindebundes begrüßte Marianna Roscher, dass die im Referentenentwurf noch enthaltenen "explizit kommunalen Verpflichtungen" herausgenommen worden seien, "um Raum für die Kommunen und Länder in einem Konsens zu schaffen, so dass hier landesgesetzliche Regelungen genug Spielraum haben". Wichtig sei die Stärkung von Quartiers- und Portfolioansätzen, sagte Roscher. Die Möglichkeiten zur Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen seien oft sehr unterschiedlich und teilweise eingeschränkt, insbesondere bei denkmalgeschützten Gebäuden. Vorab geklärt werden müsse die Finanzierungsfrage der Effizienzmaßnahmen. Bund und Länder sollten den Kommunen allgemein keine Pflichten auferlegen, ohne eine entsprechende Finanzierung sicherzustellen, um auch die Akzeptanz vor Ort zu gewährleisten.

Sächsische Energieagentur: Zertifiziertes Energiemanagement einführen

Für die Einführung eines zertifizierten Energiemanagements warb Gregor Hillebrand-Kandzia von der Sächsischen Energieagentur SAENA GmbH. Die Projektergebnisse der SAENA mit sächsischen Kommunen hätten nachgewiesen, dass als Folge der Einführung eines zertifizierten Energiemanagements durchschnittlich 15 Prozent der Wärme- und Stromverbräuche in kommunalen Gebäuden "durch rein organisatorische Maßnahmen und ohne größere Investitionen eingespart werden konnten". Einen wesentlichen Erfolgsfaktor stelle dabei die Energieverbrauchsdatenerfassung dar.

Redaktion beck-aktuell, 15. Juni 2023.