Ende des Abmahnmissbrauchs oder der Selbstregulierung?
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Der Bundestag hat am 10.09.2020 in letzter Lesung das "Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ beschlossen. Während die Regierung es als Schlag gegen den "Abmahnmissbrauch“ feiert, werten Wettbewerbsrechtler die Änderungen teilweise als Systembruch mit schweren Folgen für die Selbstregulierung der Wirtschaft.

Koalition betont Schutz der kleinen und mittleren Unternehmen

Die wesentlichen Säulen der Reform sind die Abschaffung des Kostenersatzes für Abmahnungen gegenüber Kleinunternehmen, die Deckelung von Vertragsstrafen und die Einschränkung des sogenannten fliegenden Gerichtsstands in § 14 UWG. Die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz Christine Lambrecht (SPD) erklärte: "Wir beseitigen finanzielle Fehlanreize: Mitbewerber können keine Kostenerstattung verlangen für Abmahnungen wegen Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet oder wegen Datenschutzverstößen von Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern. Außerdem stärken wir diejenigen, die sich gegen missbräuchliche Abmahnungen wehren. Abmahner dürfen sich bei Rechtsverletzungen im Internet nicht länger aussuchen, vor welchem Gericht sie klagen." Für den Koalitionspartner wies der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak, darauf hin, dass Selbstständige und Unternehmen oft wegen "Kleinstverstößen" von "Abmahnvereinen" in Anspruch genommen würden. Dem habe man einen Riegel vorschieben wollen.

"Rabenschwarzer Tag" für den Gerichtsstandort Deutschland?

Vor allem an der Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands entzündete sich der Widerspruch aus der Anwaltschaft. Bislang ist es möglich, dass Wettbewerbsverstöße auch dort vor Gericht gebracht werden können, wo sie begangen wurden. Nach neuer Gesetzeslage gilt dies nicht mehr für die praktisch bedeutsamen Bereiche elektronischer Rechtsverkehr und Telemedien. Deutschland habe über Jahrzehnte hin gerichtliche "Kompetenzzentren" im UWG aufgebaut, schrieb die wettbewerbsrechtliche Kanzlei Löffel Abrar auf Twitter in Versalien. Nun müsse man Wettbewerbsverstöße teilweise bei unerfahrenen Gerichten verfolgen. Schon vor Verabschiedung orakelte sie, dass es ein "rabenschwarzer Tag" für den Gerichtsstandort Deutschland werden könne. Nikolaus Rehart, Mitbearbeiter des Beck Online-Kommentars zum UWG, sah an gleicher Stelle das "System der Selbstregulierung" bei unlauterem Wettbewerb "vor dem Fall". Auch wurden Befürchtungen laut, dass Wettbewerbsverstöße mangels spürbarer Folgen nicht mehr verhindert würden. Der Düsseldorfer Wettbewerbsrechtler Christian Franz gab die Einschätzung ab, dass "niemand", der etwas von gewerblichem Rechtsschutz verstehe, auch nur die "Grundannahmen" des Entwurfs teile.

Ersatzteilmarkt liberalisiert

Abseits dieses Streits erleichtert das Gesetz es in Zukunft Drittanbietern, für Fahrzeuge Ersatzteile für Karosserie, Seitenspiegel und Verglasungen aus eigener Herstellung anzubieten. Sofern solche Bauteile "sichtbar" sind, besteht für nach Inkrafttreten des Gesetzes neu aufgelegte Modelle kein Designschutz des Herstellers mehr, so die Bundesjustizministerin.

Redaktion beck-aktuell, Michael Dollmann, Mitglied der NJW- und beck-aktuell-Redaktion, 11. September 2020.