Eltern kämpfen um Facebook-Nachlass toter Tochter – BGH vor Grundsatz-Urteil

Im Streit eines Elternpaares mit Facebook um Zugang zum gesperrten Facebook-Konto ihrer toten Tochter bahnt sich ein Grundsatz-Urteil zur Vererbbarkeit digitaler Inhalte an. Die obersten Zivilrichter des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe signalisierten in der Verhandlung am 21.06.2018, dass für sie die zentrale Frage sein wird, ob das digitale Erbe dem analogen gleichzustellen ist – also ob Erben Chat-Nachrichten und E-Mails genauso lesen dürfen wie Briefe. Das Urteil soll am 12.07.2018 verkündet werden (Az.: III ZR 183/17).

KG verwies auf Fernmeldegeheimnis

Mutter und Vater einer 15-Jährigen, die 2012 vor eine U-Bahn gestürzt war, können damit wieder hoffen. Zuletzt hatte ihnen das Berliner Kammergericht unter Verweis auf das Fernmeldegeheimnis den Zugang verwehrt. Das ist für den BGH-Senat aber nicht der springende Punkt. Die Eltern leben seit Jahren in Ungewissheit, ob es ein Suizid war oder ein Unglück. Von den privaten Inhalten der Facebook-Seite versprechen sie sich Hinweise. Sie haben nach eigener Aussage zwar das Passwort, können sich aber nicht anmelden, weil Facebook das Profil im sogenannten Gedenkzustand eingefroren hat. Die Seite ist seither noch für alle Kontakte der Verstorbenen zur Erinnerung erreichbar. Sich einloggen und etwas ändern kann aber niemand mehr.

Rechte anderer Nutzer für Facebook vorrangig

Facebook bekundet Mitgefühl mit der Familie. Die Freigabe der Konto-Inhalte kommt für den US-Konzern aber nicht infrage. Man müsse "sicherstellen, dass der persönliche Austausch zwischen Menschen auf Facebook geschützt ist", teilte ein Sprecher nach der Verhandlung mit. Für Facebook gehen die anderen Nutzer vor: Freunde des Mädchens hätten darauf vertraut, dass private Nachrichten privat bleiben.

Keine gesetzliche Regelung für digitalen Nachlass

Die Rechtslage ist unklar. Denn der kleinste Teil des digitalen Erbes befindet sich – wie die Schachtel Briefe oder das Tagebuch – bei dem Verstorbenen daheim auf einem Datenträger. Was mit den vielen E-Mails, Chat-Protokollen oder Fotos passiert, die auf einem Rechner im Internet ("Cloud") oder Server liegen, ist nirgendwo eindeutig geregelt. Eine gesetzliche Präzisierung, wie sie der Deutsche Anwaltverein schon vor Jahren gefordert hat, ist ausgeblieben. Ein höchstrichterliches Urteil würde für Klarheit sorgen.

Facebook-Anwalt warnt vor Beantwortung allgemeiner Fragen anhand des besonderen Falles

Auf Seiten von Facebook warnte BGH-Anwalt Christian Rohnke davor, an dem "besonderen menschlichen Fall" allgemeine Fragen zu beantworten. Teenager tauschten auf Facebook intime Details aus: Wer geht mit wem? Wer schläft mit wem? Wer hasst wen? "Auch Kinder haben ein Interesse daran, dass Eltern nicht alles erfahren", gab er zu bedenken.

Gericht: Facebook-Richtlinien zum "Gedenkzustand" nicht bindend

Der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann ließ allerdings Zweifel erkennen, ob das Vertrauen, dass niemand mitliest, in einem Sozialen Netzwerk wirklich gerechtfertigt sei. So hätten sich die Eltern schon zu Lebzeiten des Mädchens bei dessen Konto anmelden können. Die Facebook-Richtlinien zum "Gedenkzustand" halten die Richter nicht für bindend, weil sie sich nicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern in der Hilfe finden. Sie äußerten auch generelle Bedenken.

Kläger-Anwalt: Kein Unterschied zwischen Papier und Netz

Für den BGH-Anwalt der Eltern, Peter Rädler, gibt es im Ergebnis keinen Unterschied zwischen Inhalten auf Papier und solchen im Netz: "Rechte an Daten vererben sich wie Rechte an Sachen", sagte er.

BGH - III ZR 183/17

Redaktion beck-aktuell, 22. Juni 2018 (dpa).