Musks Millionenlotterie: raffinierter Schachzug oder strafbarer Stimmenkauf?
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Elon Musk macht jetzt wahlrechtlich von sich reden. Sein Political Action Committee verlost jeden Tag eine Million Dollar an Wähler, die eine Petition für das Recht auf freie Meinungsäußerung und Waffenbesitz unterzeichnen. Warum diese Lotterie potenziell rechtswidrig ist, erläutert Theodor Shulman.

Wer an der Lotterie teilnehmen möchte, muss sich im Bundesstaat Pennsylvania für die Stimmabgabe bei der Präsidentschaftswahl registriert haben, also tatsächlich wählen können. Wer eine Million Dollar gewinnen möchte und die Petition unterzeichnet hat, aber noch nicht registriert ist, muss die Registrierung also nachholen. Nach amerikanischem Bundesrecht macht sich jedoch strafbar, "whoever knowingly and willfully pays or offers to pay either for registration to vote or for voting." Zumindest das amerikanische Bundesjustizministerium versteht dabei auch die Einräumung einer Gewinnchance als "payment".

Mit anderen Worten könnte Musks Lotterie, begreift man sie als finanziellen Anreiz, sich für die Stimmabgabe zu registrieren, den Straftatbestand des Stimmenkaufs verwirklichen. Ganz so klar ist die Subsumtion dann aber doch nicht.

Wähler-Registrierung als bloß formelle Teilnahmevoraussetzung?

So belohnt die Lotterie offiziell Wählerinnen und Wähler vor allem dafür, die Petition für das Recht auf freie Meinungsäußerung und Waffenbesitz unterzeichnet zu haben. Die Registrierung als Wählerin oder Wähler ist hiernach lediglich eine formelle Teilnahmevoraussetzung und nicht der eigentliche Grund für die Einräumung einer Gewinnchance.

Besonders überzeugend ist dieser Einwand allerdings nicht. Denn man fragt sich, warum die Lotterieteilnehmerinnen und -teilnehmer dann überhaupt registriert sein müssen; schließlich ist ja auch nicht Voraussetzung, dass sie wählen gehen oder gar jemand Bestimmten wählen.

Der zweite Einwand ist dagegen gewichtiger. Man muss sich nicht stets neu registrieren, um wählen zu können; wer einmal registriert wurde und nicht umzieht, braucht den Vorgang nicht bei jeder Wahl zu wiederholen. Unter den Wählerinnen und Wählern in Pennsylvania sind damit auch viele, die sich vor Jahrzehnten registriert haben. Die Aussicht auf den Spielgewinn kann sie also gar nicht zur Registrierung motivieren. Am Glücksspiel können sie trotzdem teilnehmen. Kann von einer unlauteren Mobilisierung möglicher Trump-Wählerinnen und -Wähler folglich doch nicht die Rede sein?

Eine "payment for registration" erfordert eine gewisse Kausalität

Auf den ersten Blick scheint die Einbeziehung bereits registrierter Wählerinnen und Wähler in die Lotterie keinen Unterschied zu machen. Denn der Wortlaut des Strafgesetzes setzt nicht voraus, dass sie registriert werden, nachdem ihnen die Gewinnchance eingeräumt wurde. Eine "payment for registration" kann vielmehr auch dann verwirklicht werden, wenn jemand dafür bezahlt wird, seit Jahrzehnten registriert zu sein.

Ein teleologischer Blick aufs Gesetz verdeutlicht jedoch, dass der Anwendungsbereich des Straftatbestands etwas enger ist. Sein Zweck besteht nämlich darin, eine politische Wahl nicht durch den Einfluss käuflicher Wählerinnen und Wähler korrumpieren zu lassen. Das setzt eine gewisse Kausalität voraus: Geld gegen Stimme – bzw. die Chance auf eine Million Dollar gegen Registrierung zur Stimmabgabe. Bei Wählerinnen und Wählern, die eine Million Dollar gewinnen, aber schon registriert sind, kann von einer derartigen Kausalität keine Rede sein.

Musk und sein Political Action Committee könnten also ein Schlupfloch gefunden haben, indem sie die Chance auf den Spielgewinn nicht an eine alsbald zu erfolgende Registrierung knüpfen, sondern auch "altgediente" Wählerinnen und Wähler teilnehmen lassen.

Pennsylvania: der womöglich bedeutsamste Swing State

Für die Strafbarkeit der Aktion spricht indes, dass sie drei Tage vor Ablauf der Registrierungsfrist verkündet wurde, also darauf gerichtet gewesen sein könnte, möglichst viele Menschen noch zur Registrierung zu bewegen. Zudem dürfte es kein Zufall sein, dass nur Wählerinnen und Wähler in Pennsylvania, dem womöglich bedeutsamsten Swing State, eine Million Dollar gewinnen können. Ginge es Musk vorrangig um seine Petition, müsste er seine Lotterie theoretisch auch in Kalifornien oder Texas durchführen. Dass er es nicht tut, deutet darauf hin, dass es ihm am Ende doch darum geht, Trumps Wahlsieg in Pennsylvania gleichsam zu erkaufen.

Am Ende dürfte es im Auge des Betrachters liegen, ob wir es hier mit einem genialen Schachzug oder einer bewussten Grenzübertretung zu tun haben. Nicht von ungefähr verzichtet das Bundesjustizministerium daher in einem an Musks Political Action Committee gerichteten und in der Presse vielfach aufgegriffenen Schreiben auf die Feststellung, dass die Lotterie rechtswidrig sei; es wird lediglich darauf hingewiesen, dass sie rechtswidrig sein könnte. Das Ministerium erhofft sich hiervon, dass Musk freiwillig von der Lotterie Abstand nehmen wird – bislang allerdings vergebens. Ein Grund für Musks Beharren könnte sein, dass die (hier allein in Betracht kommende) Geldbuße im Höchstmaß nur 10.000 Dollar beträgt.

Dafür muss sich Musk mit einem weiteren Vorwurf auseinandersetzen: Wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Glücksspielrecht des Bundesstaats Pennsylvania hat die Staatsanwaltschaft (Zivil-)Klage gegen Musk und sein Political Action Committee erhoben.

Der Autor Rechtsanwalt Dr. Theodor Shulman, LL.M. (Harvard) ist Rechtsanwalt bei Redeker Sellner Dahs Rechtsanwälte PartG mbB in München und war von 2015 bis 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg.

Dr. Theodor Shulman, 31. Oktober 2024.