Generalbundesanwaltschaft hält LG-Urteil für "durchgehend rechtsfehlerhaft"
Hätten die Bauleiter sorgfältiger sein müssen? Hellhörig werden müssen, nachdem es schon im Jahr 2005 Auffälligkeiten in einer 27 Meter tiefen Baugrube gegeben hatte? Hätten sie anders, besser und vor allem an übergeordnete Stellen kommunizieren müssen? Und hätten sie damit eine Untersuchung der Vorfälle in Gang setzen können, die die Katastrophe vier Jahre später hätte verhindern können? Dieser Meinung ist die Vertreterin des Generalbundesanwaltes. Sie verweist auf eine angesichts der Warnzeichen an der Baugrube "gesteigerte Sorgfaltspflicht", der die Bauleiter nicht nachgekommen seien und die die Vorinstanz nicht hinreichend berücksichtigt habe. Das Landgericht habe sich zudem zu sehr auf schriftliche Dokumentationen gestützt. "Das Urteil ist durchgehend rechtsfehlerhaft", sagt sie.
Verteidigung pocht auf Bestand der Freisprüche
Die Verteidigung weist dies zurück. "Das Landgericht hat ein extrem ausführliches und detailliert begründetes Urteil geschrieben", betont Barbara Livonius, Anwältin eines der Männer. Die Freisprüche müssten Bestand haben. Die komplexen Vorgänge damals auf der Baustelle werden nochmals rekapituliert – und die daraus resultierende Tragödie. Bis heute litten Menschen unter den psychischen Folgen, seien arbeitsunfähig oder um ihr Hab und Gut gebracht – darauf verweist der Vorsitzende Richter Ulrich Franke eingangs nochmals. Einer der beiden Nebenkläger, der Halbbruder eines der Todesopfer, ist ebenfalls erschienen. "Es war mir wichtig, dabei zu sein, für meinen Bruder, ihn zu vertreten", sagt der heute 18 Jahre alte Marvin Pagel. "Ich bin jetzt ein Jahr älter als mein Bruder es damals war, als er starb."
BGH rollt Fragen um Dichtigkeit von Fugen neu auf
Es geht vor dem BGH nochmals um Dichtigkeit von Fugen, um die sachgerechte Errichtung einer sogenannten Schlitzwand zur Stabilisierung der Baugrube. Arbeiter hatten dabei einen großen Steinblock in der Grube einfach drin gelassen, als der sich nicht entfernen ließ. Die Folge: Fehlstellen in der Betonwand. Sie gibt nach, als Tausende Kubikmeter Wasser und Kies dagegen drücken. Ein riesiger Hohlraum bildete sich unter dem Archiv, das nach vorne wegkippt und zwei angrenzende Wohngebäude mitreißt. Die beiden Opfer, ein 17 und ein 24 Jahre alter Anwohner, werden unter dem Schutt begraben und erst Tage später geborgen. Aus Sicht des Kölner Gerichts hatten die Bauleiter zwar gegen ihre Sorgfaltspflichten bei der Betreuung der Grube verstoßen. Dies sei jedoch nicht Ursache für die Katastrophe gewesen. Gegen das Urteil hatte die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt.
Auch Bewährungsstrafen für Bauüberwacher und Oberbauleiter auf dem Prüfstand
Wie der BGH entscheiden wird, dazu wagt auch Livonius keine Prognose. Darüber müsse ausführlich beraten werden, sagt BGH-Richter Franke. Im Verlauf des Verfahrens vor dem LG waren zudem ein Bauüberwacher sowie ein Oberbauleiter zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Über deren Revision will der BGH gesondert per Beschluss entscheiden.