Ein Ex-Kanzler vor Gericht - hat Kurz im Ibiza-U-Ausschuss gelogen?

Am 18. Oktober beginnt am Landesgericht in Wien der Prozess gegen den österreichischen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen mutmaßlicher Falschaussage: Er soll im Ibiza-Untersuchungsausschuss gelogen haben, als er seine Rolle bei der Vergabe des Chefpostens in der Staatsholding beschrieb.

Die Ermittler stützen sich bei ihren Vorwürfen auf das "berühmteste Handy Österreichs", wie Justizministerin Alma Zadic (Grüne) das Mobiltelefon von Thomas Schmid nennt, der 2019 zum Chef der Österreichischen Beteiligungs AG (Öbag) berufen worden war. Monate nach dem Auffliegen der Ibiza-Affäre 2019 - auf einem heimlich aufgenommenen Video wirkte der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache anfällig für Korruption - wurde auch das Handy von Schmid sichergestellt. Der Öbag-Chef, zuvor in einer Schlüsselrolle im Finanzministerium, hatte zwar 300.000 Whats-App-Nachrichten auch über Vorgänge im innersten Regierungskreis gelöscht, sie konnten von den Fahndern aber wiederhergestellt werden. Inzwischen hat sich Schmid als möglicher Kronzeuge gegen Kurz angedient. 

Laut Anklage zeigen die Chats eine tiefe Verwicklung des damaligen Kanzlers in die Vorgänge um die Staatsholding, die die milliardenschweren Beteiligungen des Staats an diversen Unternehmen managt. "Und sie waren über den juristischen Aspekt hinaus auch ein verstörendes Sittengemälde, das für viele den Eindruck bestätigte, den Politikern geht es um Macht und nicht um das Land", sagt der Politologe Peter Filzmaier. So schrieb Schmid wenige Tage vor seinem Dienstantritt als Öbag-Chef an Kurz: "Bitte mach mich nicht zu einem Vorstand ohne Mandate. Das wäre ja wie Wiener Stadtrat ohne Portfolio". Kurz antwortete: "kriegst eh alles was du willst". Schmid: "Ich bin so glücklich" - "Ich liebe meinen Kanzler". 

Angeklagt wegen des Verdachts der Falschaussage sind neben Kurz auch Bernhard Bonelli, damaliger Kabinettschef im Bundeskanzleramt, und die ehemalige ÖVP-Vizeparteichefin Bettina Glatz-Kremsner, bis März 2022 Generaldirektorin der Casinos Austria und Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Lotterien. Der Strafrahmen für das angeklagte Delikt beträgt bis zu drei Jahre Haft. Kurz, Bonelli und Glatz-Kremsner bestreiten die Vorwürfe. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft hat 108 Seiten, die Anklage wurde im August erhoben.

Inseratenaffäre brisanter

Kurz ist zwar nicht der erste Spitzenpolitiker Österreichs, der vor Gericht steht, aber das Verfahren fällt in eine Zeit besonders tiefen Misstrauens in die Politik. "In einem kleinen Land wie Österreich, sind Seilschaften, Absprachen und möglicher Postenschacher nicht fern", sagt Filzmaier. Österreich hat in Sachen Korruption nach Darstellung von Transparency International nicht den besten Ruf. Beim Korruptionsindex liege das Land nur im europäischen Mittelfeld und habe zuletzt weiter Plätze verloren, sagt Georg Krakow von Transparency Österreich. "Wir haben ein gewaltiges Pensum an Hausaufgaben zu machen, damit das Vertrauen in die Demokratie und die Politik wiederhergestellt werden."

Viel brisanter als der aktuelle Prozess könnte für den einst als "Wunderwuzzi" gehandelten Konservativen eine Anklage in der sogenannten Inseratenaffäre werden. Dabei geht es um geschönte Umfragen und Regierungs-Inserate in Boulevard-Zeitungen, die mutmaßlich mit Steuergeld bezahlt worden sein sollen. Gegen mehrere Menschen wird wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit ermittelt. Auch hier bestreitet Kurz die Vorwürfe. 

Kurz betreibt inzwischen ein Cybersecurity-Unternehmen mit 50 Angestellten in Tel Aviv sowie eine Beratungs- und eine Investmentfirma. Er war im Herbst 2021 als Kanzler zurückgetreten und hatte sich kurz darauf ganz aus der Politik verabschiedet.

Redaktion beck-aktuell, Matthias Röder, 17. Oktober 2023 (dpa).

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