Rechtlicher Hintergrund
§ 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 IfSG sieht vor, dass Kinder, die in einer Kindertagesstätte oder in der erlaubnispflichtigen Kindertagespflege betreut werden, einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder eine Immunität gegen Masern aufweisen müssen, sofern sie nicht aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können (§ 20 Abs. 8 Satz 4 IfSG). Ferner muss vor Beginn ihrer Betreuung ein entsprechender Nachweis vorgelegt werden (§ 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG).
Folgenabwägung zum Nachteil der Beschwerdeführer
Die Beschwerdeführer haben die entsprechenden Regelungen des IfSG im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen. Mit ihren Eilanträgen wollten sie erreichen, dass ihre nicht geimpften Kinder bis zur Entscheidung über ihre Verfassungsbeschwerden in einer kommunalen Kindertagesstätte beziehungsweise von einer Tagesmutter, die die Erlaubnis zur Kindertagespflege nach § 43 SGB VIII besitzt, betreut werden können. Laut BVerfG kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung aber nicht in Betracht. Die Verfassungsbeschwerde sei zumindest nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Dies bedürfe einer eingehenden Prüfung, die im Rahmen eines Eilverfahrens nicht möglich sei. Von daher sei aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese geh zum Nachteil der Beschwerdeführer aus.
Fehlende Betreuung kann nachteilige wirtschaftliche Folgen für Eltern haben
Erginge die einstweilige Anordnung nicht und hätten die Verfassungsbeschwerden Erfolg, wäre das gesetzliche Betreuungsverbot zu Unrecht erfolgt. Dies führte dazu, dass zwischenzeitlich die minderjährigen Beschwerdeführer mangels Masernschutzimpfung nicht wie beabsichtigt betreut werden könnten und sich deren Eltern um eine anderweitige Kinderbetreuung kümmern müssten, was mitunter nachteilige wirtschaftliche Folgen nach sich zöge.
Gewährung begehrter Betreuung brächte unter Umständen Leib und Leben vieler Personen in Gefahr
Erginge dagegen die beantragte einstweilige Anordnung und hätten die Verfassungsbeschwerden keinen Erfolg, wären grundrechtlich geschützte Interessen einer großen Anzahl Dritter von hohem Gewicht betroffen. Die grundsätzliche Pflicht, einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern vor der Betreuung in einer Gemeinschaftseinrichtung nachzuweisen, diene dem besseren Schutz vor Maserninfektionen, insbesondere bei Personen, die regelmäßig in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen mit anderen Personen in Kontakt kommen. Impfungen gegen Masern in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen sollen nicht nur das Individuum gegen die Erkrankung schützen, sondern gleichzeitig die Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung verhindern, wenn mit Hilfe der Maßnahmen erreicht wird, dass die Impfquote in der Bevölkerung hoch genug ist, so das BVerfG. Auf diese Weise könnten auch Personen geschützt werden, die aus medizinischen Gründen selbst nicht geimpft werden können, bei denen aber schwere klinische Verläufe bei einer Infektion drohen. Ziel des Masernschutzgesetzes sei namentlich der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit, zu dem der Staat prinzipiell auch kraft seiner grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG angehalten ist.
Interessen der Eltern nachrangig
Bei Gegenüberstellung der danach jeweils zu erwartenden Folgen müsse das Interesse der Beschwerdeführer, ihre Kinder ohne Masernschutzimpfung in einer Gemeinschaftseinrichtung betreuen zu lassen, beziehungswiese der Kinder, selbst dort betreut zu werden, gegenüber dem Interesse an der Abwehr infektionsbedingter Risiken für Leib und Leben einer Vielzahl von Personen zurücktreten. Die Nachteile, die mit Inkrafttreten der angegriffenen Regelungen des Masernschutzgesetzes nach späterer Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit verbunden wären, überwögen in Ausmaß und Schwere nicht - und schon gar nicht deutlich - die Nachteile, die im Falle der vorläufigen Verhinderung eines sich als verfassungsgemäß erweisenden Gesetzes einträten.