In den letzten Jahren stolperten serienweise Politikerinnen und Politiker über peinliche Plagiate in Promotions- und ähnlichen Qualifikationsschriften. Namen aufzuzählen, erübrigt sich inzwischen. Immer wieder traf der Plagiatsvorwurf auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, durchaus auch aus der Rechtswissenschaft. Jüngst sah sich gar die von der SPD für eine Richterinnenstelle am BVerfG nominierte Frauke Brosius-Gersdorf damit konfrontiert – was davon übrigbleiben wird, ist noch nicht abzusehen.
Nun lässt sich der Makel ausnehmend leicht vermeiden, unerlaubt weil nicht oder unzureichend gekennzeichnet bei anderen abzuschreiben: Man schreibt einfach von sich selbst ab. Idealerweise entwickelt man ein kurzes Referat aus dem Leistungskurs Geschichte in der Oberstufe zu einem längeren Referat im Seminar an der Universität, das man ausbaut zur Schwerpunktbereichsabschlussarbeit (nebst Präsentation), die man ins Englische übersetzen lässt (von einem der heute schon recht leistungsfähigen Übersetzungsprogramme), um die Master Thesis für den LL.M zu erschlagen, auf deren (mit einem mittlerweile fortentwickelten Programm) rückübersetzte Fassung die Doktorarbeit aufbaut, die dann wiederum die Grundlage der thematisch verwandten Habilitationsschrift bildet.
Fortsetzungen dieser noch recht übersichtlichen Linie in beide Richtungen sind denkbar: Das ganze Vorhaben kann auch mit einem bunten Bild im Kindergarten beginnen und sich über einen Grundschulaufsatz etwa über "Mein schönstes Ferienerlebnis" gemächlich in Richtung Abitur entwickeln; aus Dissertation und Habilitationsschrift lassen sich Ausschnitte als Aufsätze in Fachzeitschriften platzieren und auf Tagungen vortragen, dann wiederum in Sammelbänden unterbringen und/oder zur Grundlage von Forschungsförderungsanträgen verwenden. Gern in mehreren Wiederholungsschleifen, gern auch international und fremdsprachig. Wer Beispiele sucht, wird sie finden.
Auch Eigenplagiate können unangenehme Konsequenzen haben
Das mag peinlich sein, klar, aber sicher ist: Urheberrechtlich ist gegen sein solches Vorgehen kaum etwas einzuwenden, solange man (nur) von sich selbst abschreibt. Indes springt zu kurz, wer die Rechtsordnung auf das Urheberrecht reduziert. Man sollte, je nach beruflicher Position und Ambition, die Vertragsbeziehungen zu Verlagen nicht außer Acht lassen, die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis beachten – und nötigenfalls das Prüfungsrecht nicht vergessen. Problematisch ist insofern zum einen, dass alle verwendeten Quellen offengelegt werden müssen, was unveröffentlichte Texte ebenso einschließt wie eigene. Zum anderen darf – verständlicherweise – die nämliche Arbeit nicht zum Bestehen mehrerer verschiedener Prüfungen eingesetzt werden. Wer also für die Einleitung der Master Thesis einen Ausschnitt aus der Bachelor Thesis verwenden will, ist gut beraten, das Einverständnis der Prüferinnen und Prüfer einzuholen und zu dokumentieren sowie in der fertigen Arbeit den Umfang der Übernahmen exakt und unter Referenzierung der Quelle auszuweisen.
Die Versuchung ist natürlich groß, den gegenteiligen Weg einzuschlagen. In diesem Fall sollte man darauf verzichten, die früheren Arbeiten zu veröffentlichen. Über diese einfache Regel stolperte der aus Norddeutschland stammende Kandidat, der an der Universität zu Innsbruck promoviert wurde. Seine Dissertation bestand zu (unstreitig) knapp 23% oder (streitig) insgesamt 53% aus seiner Masterarbeit. Das ist angesichts des übersichtlichen Gesamtumfangs an sich schon beunruhigend. Zudem hatte er vergessen (streitig), seine Betreuer auf die weitgehend wörtliche Übernahme hinzuweisen; jedenfalls war eine Kennzeichnung in der Doktorarbeit unterblieben. Die bereits überwiegend deskriptiv angelegte Masterarbeit (ein zweischneidiges Kompliment bei näherem Nachdenken) war mit zehn neuen Quellen und Dutzenden neuen Seiten zur überwiegend deskriptiv angelegten Doktorarbeit ausgebaut worden. Die Prüfer schrieben garstige Voten, betrachteten die Leistung aber noch als "genügend". Alles ging gut, bis ein misstrauischer Journalist die im Druck erschienene Masterarbeit mit der Doktorarbeit verglich und alsbald die Universität um Aufklärung bat. Diese revidierte ihre Einschätzung und entzog den Grad wieder.
"Methodischer Nonsens" wird durch Wiederholung nicht besser
Der Kandidat dachte sich allerlei Argumente aus, mit denen er vor dem österreichischen Bundesverwaltungsgericht – in seiner Stellung im Rechtssystem nicht vergleichbar mit dem deutschen Namensvetter – in erster Instanz scheiterte. Das Urteil (Urteil vom 25.03.2025 – W129 2292170-1/20E) verwirft jedes einzelne seiner Argumente und spricht in aller Deutlichkeit von Täuschungsvorsatz. Zudem zitiert das Gericht nicht nur ausführlich aus den damaligen niederschmetternden Voten der Betreuer, sondern nimmt auch – hierzulande ganz unüblich – zu den Schwächen der Dissertation so klar Stellung, dass der Verfasser womöglich inzwischen differenzierter über den Streisand-Effekt denkt als zuvor.
Schon die in Hamburg 2007 eingereichte und 2009 veröffentlichte Masterarbeit war im Fachdiskurs eher verhalten aufgenommen worden (so die Rezension von Augsberg: "Bei einem Autor, der schon an der wirklich nicht übermäßig komplexen Aufgabe scheitert, die – zunächst seitenlang wortwörtlich wiedergegebenen – Gesetzestexte korrekt zusammenzufassen, scheint es angebracht, über die – ohnehin marginale – weitergehende „Analyse“ den gnädigen Mantel des Schweigens zu decken."). Das Urteil des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts zitiert nun aus dem Erstgutachten zur Dissertation, der Betreuer habe selten "eine dermaßen unschlüssige und im Grunde nichtssagende Operationalisierung des Untersuchungsgegenstandes einer Dissertation zu beurteilen gehabt" und konstatierte – neben "völlig abwegigen Formulierungen", "grammatikalisch unsäglichen Ausrutschern" und "methodische[m] Nonsens" – eine beim Beschwerdeführer vorliegende "Unfähigkeit […] die Rechtsfragen […] entsprechend aufzuarbeiten". Weiter äußerte er – neben "Zweifel[n] an der sprachlichen Kompetenz des Dissertanten"–, dass der Anhang der verfahrensgegenständlichen Dissertation "den Eindruck [erweckt], einer bloß eineinhalbzeilig geschriebenen Dissertation von nur 182 Seiten (!) mehr „Substanz“ bzw. Umfang zu verleihen" und beurteilt auch das Literaturverzeichnis als "keinesfalls umfassend, ebenso wie auch das Verzeichnis der sonstigen Literatur […] nur ansatzweise überzeugt.“
Besser frühzeitig Transparenz üben
Der Kandidat hat indessen wegen der Nichtzulassung der Revision Rechtsmittel eingelegt. Nun gut, so ist das im Rechtsstaat; auch Margarita Mathiopoulos machte erst ihren Frieden mit dem Dissertations-Plagiat, als der EGMR weitere Rechtsmittel für unzulässig erklärt hatte. Man muss also dem Kandidaten einen langen Atem wünschen und ein solides Budget für die Kosten der nächsten Instanzen.
Künftigen Aufwandsoptimiererinnen und -optimierern ist zu raten, auf dem Weg zur größtmöglichen Zahl akademischer Abschlüsse binnen kürzester Zeit maximale Transparenz walten zu lassen, um späteren unliebsamen Überraschungen entgegenzuwirken. Wer sich solche Transparenz – aus welchem Grund auch immer – nicht leisten zu können glaubt, möge wenigstens auf die Publikation nicht veröffentlichungspflichtiger Arbeiten verzichten.
Und allen, die mit dem Gedanken auch nur spielen, sei die Lektüre des zitierten Urteils dringend empfohlen.
Prof. Dr. Roland Schimmel lehrt Wirtschaftsprivatrecht und Bürgerliches Recht an der Frankfurt University of Applied Sciences. Er beschäftigt sich mit Fragen juristischer Didaktik und hat mehrere Beiträge zum Thema Plagiate in wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlicht.