Ehemaliger BAG-Präsident Wißmann gestorben

Am 17.02.2022 ist der ehemalige Präsident des Bundesarbeitsgerichts Hellmut Wißmann im Alter von 82 Jahren verstorben. Wißmann war seit 1992 Richter am BAG. Von 1999 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2005 hatte er das dortige Präsidentenamt inne. Das Gericht teilte mit, seine Fähigkeit, kontroverse Standpunkte mit persönlicher Wertschätzung, respektvollem Umgang und großer Integrationskraft auf fachlicher Ebene zu diskutieren und zu einem fundierten Ergebnis zu führen, hätten die Kultur des BAG nachhaltig geprägt.

Werdegang

Wißmann wurde am 15.02.1940 in Darmstadt geboren. Er studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Frankfurt am Main, Lausanne und Freiburg im Breisgau. 1972 wurde er am Institut für Europarecht der Universität zu Köln mit einer Arbeit zum europäischen Kartellrecht promoviert. Anschließend war er als Referent und später als Referatsleiter in der arbeitsrechtlichen Abteilung des damaligen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung tätig. Dort war er maßgeblich mit der Vorbereitung wichtiger arbeitsrechtlicher Gesetze befasst, unter anderem für die Bereiche Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Aufsichtsräten, Grundsatzfragen des Arbeitsrechts sowie Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Während der deutschen Wiedervereinigung arbeitete er auch am Vertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion sowie am Einigungsvertrag mit.

1999 zum BAG-Präsidenten berufen

Im Juli 1992 wurde Wißmann zum Richter am BAG ernannt. Zunächst war er dem Vierten Senat des BAG zugewiesen und wirkte dort an grundlegenden Entscheidungen zum Tarifvertragsrecht mit. Im Jahr 1994 wechselte er in den Ersten Senat. Wißmann wurde im Juli 1999 zum Präsidenten des BAG berufen und übernahm den Vorsitz des Ersten Senats, den er bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2005 innehatte. Das BAG lobt den Weitblick und das soziale Engagement Wißmanns. Hierdurch habe er dazu beigetragen, dass die Rechtsprechung des BAG allgemein anerkannt wird und Arbeitnehmer und Arbeitgeber Vertrauen in die Arbeitsgerichtsbarkeit haben. In seiner Amtszeit habe sich das Arbeitsrecht auf vielen Feldern fortentwickelt. Als Vorsitzender des Ersten Senats habe Wißmann daran maßgeblichen Anteil mit Entscheidungen zur Bildung eines Europäischen Betriebsrats, zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz, zum Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit und zum Streik um einen Firmentarifvertrag gegen einen verbandsangehörigen Arbeitgeber.

Tätigkeiten außerhalb des BAG

Wißmann war Autor zahlreicher Veröffentlichungen, insbesondere zum europäischen Arbeitsrecht, zum Mitbestimmungsrecht und zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Arbeitsrecht. Ihm war es laut BAG stets ein Anliegen, das Recht so zu vermitteln, dass es auch dem nicht fachkundigen Bürger verständlich ist. Er habe das BAG nahbar machen, aber auch Begeisterung für die Lehre und juristische Diskussionen wecken wollen. Seit 2001 habe er eine Honorarprofessur für deutsches und europäisches Arbeitsrecht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg innegehabt. Seit Beginn seiner Amtszeit als Präsident sei Wißmann zudem bestrebt gewesen, dass das BAG von den Bürgerinnen und Bürgern Erfurts als offenes Haus und Teil der Stadt wahrgenommen wird. In Zusammenarbeit mit der Universität Jena habe er das Konzept des arbeitsrechtlichen Moot Courts entwickelt, der im Wintersemester 2005/2006 zum ersten Mal durchgeführt wurde.

Arbeitsrecht im sozialen Dialog

Wißmann sei ein engagierter und anerkannter Richter und Rechtswissenschaftler gewesen, für den die Unabhängigkeit der Rechtsprechung, die Eigenständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit und der wissenschaftliche Diskurs Kernthemen seines Wirkens waren, so das BAG in seiner Pressemitteilung weiter. Das Thema des Arbeitsrechts im sozialen Dialog habe Wißmanns berufliches Wirken und die Ausrichtung des BAG geprägt. Die Erarbeitung der Entscheidungen in intensiver Zusammenarbeit mit den von den Sozialpartnern vorgeschlagenen ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern sei ihm stets ein besonderes Anliegen gewesen. Darüber hinaus sei Wißmann eine vorbildliche Führungspersönlichkeit gewesen, die das BAG mit Engagement, Souveränität und innerer Unabhängigkeit vorangebracht und geleitet habe. Mit Hellmut Wißmann verliere das BAG einen Freund, einen Menschen, der mitmenschliche Werte gelebt hat, und einen großen Juristen.

Redaktion beck-aktuell, 21. Februar 2022.