Vor Abschiebung eines Verurteilten Gefahrenlage umfassend zu prüfen

Frankreich muss, bevor es einen Mann mit tschetschenischen Wurzeln nach Russland abschiebt, die dort für ihn bestehende Gefahrenlage vollständig prüfen. Hieran ändert sich laut Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte nicht deshalb etwas, weil dem Mann in Frankreich nach einer Terrorverurteilung der Flüchtlingsstatus entzogen worden war. Eine Abschiebung ohne Prüfung verstoße gegen das Recht auf Schutz vor unmenschlicher Behandlung.

Wegen Planung eines Terroranschlags verurteilt

Der betroffene Russe war 2011 im Alter von 17 Jahren nach Frankreich gekommen und hatte dort später den Flüchtlingsstatus erhalten. 2015 verurteilte ihn ein Pariser Gericht zu fünf Jahren Haft. Ihm wurde vorgeworfen, einen Terroranschlag geplant zu haben. So soll er in Syrien wochenlang an militärischem Training teilgenommen haben. Die Behörden betrachteten ihn als ernste Gefahr für die öffentliche Sicherheit und beantragten seine Abschiebung. Sein Flüchtlingsstatus wurde ihm entzogen. Der Mann gab an, im Fall einer Abschiebung nach Russland unmenschlicher Behandlung ausgesetzt zu sein, und ging juristisch gegen den Abschiebebescheid vor.

Person kann auch ohne Flüchtlingsstatus Flüchtling sein

Der EGMR wies nun darauf hin, dass der Entzug des Flüchtlingsstatus nicht bedeute, dass eine Person kein Flüchtling mehr sei. Dies hätten die nationalen Behörden bei der Überprüfung des Risikos für den Mann bei einer Abschiebung nicht in Erwägung gezogen. Dem Gericht zufolge könne es dennoch sein, dass die französischen Behörden nach einer solchen Überprüfung zum gleichen Ergebnis kämen, nämlich, dass bei einer Abschiebung nach Russland keine Gefahr für den Mann bestehe.

Redaktion beck-aktuell, 15. April 2021.