EGMR verurteilt Litauen wegen Verbots eines Märchenbuchs

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Litauen verurteilt, weil das Land gegen ein Märchenbuch mit homosexuellen Hauptfiguren vorgegangen ist. Dies sei ein Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention. Die Autorin sei in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt worden, teilten die Richter in Straßburg mit.

Litauen stoppte Verkauf

Eine litauische Universität veröffentlichte 2013 mit einem Zuschuss des Kulturministeriums das Buch einer offen lesbischen Autorin, welches sich an 9 bis 10-jährige Kinder richtete. Angelehnt an traditionelle Märchenbücher spielten hier auch andere Themen eine Rolle - etwa unterschiedliche Hautfarben, Behinderungen, die Scheidung der Eltern oder Migration. Zwei der sechs Geschichten handelten von gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Die litauische Aufsichtsbehörde entschied, dass diese beiden Märchen negative Auswirkungen auf Minderjährige hätten. Daraufhin wurde der Verkauf zwischenzeitlich gestoppt und das Buch mit einem Warnhinweis versehen. Es sei gefährlich für unter 14-Jährige. Dagegen klagte die Autorin.

EGMR: Verkaufsverbot verletzt Recht auf freie Meinungsäußerung

Der Gerichtshof für Menschenrechte gab ihr Recht: Anders als die Regierung behaupte, würden in den Märchen lesbische oder homosexuelle Paare gegenüber anderen Paaren nicht auf ein Podest gestellt, sondern sie propagierten Respekt für alle Mitglieder der Gesellschaft. Kindern dürfe der Zugang zu Informationen über gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht derart verwehrt werden. Litauen muss nun 12.000 Euro Schadenersatz und 5.000 Euro Prozesskosten zahlen.

EGMR, Urteil vom 23.01.2023 - 61435/19

Redaktion beck-aktuell, 24. Januar 2023 (dpa).