EGMR verurteilt Litauen wegen einjähriger psychiatrischer Zwangsunterbringung

Litauen hat mit der einjährigen Zwangsunterbringung einer Frau in einer Psychiatrie gegen deren Menschenrechte verstoßen. Die litauischen Gerichte hätten weniger strenge Maßnahmen überhaupt nicht in Erwägung gezogen und auch vor der Zwangseinweisung der Frau kein neues psychiatrisches Gutachten anfertigen lassen, entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg mit Urteil vom 26.06.2018 (Az.:691/15).

Psychisch kranke Frau wurde zur Untersuchung monatelang zwangsuntergebracht

Litauen muss der Beschwerdeführerin laut Gericht nun eine Entschädigung von 7.500 Euro zahlen. Sowohl Litauen als auch die Frau können innerhalb von drei Monaten gegen das Urteil vorgehen. Die psychisch kranke Frau hatte 2013 einen Teenager mit Tränengas besprüht. Daraufhin wurde sie auf Order eines Gerichts von der Polizei unter Zwang in eine psychiatrische Einrichtung gebracht, wo sie untersucht wurde. Monate später entschied ein Gericht auf Basis dieses Gutachtens und in Abwesenheit der Frau, dass sie in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht werden müsse. In der Zwischenzeit hatte sie aber eine Therapie begonnen.

EGMR stellt zweifachen Verstoß gegen Menschenrechte fest

Mit diesem Vorgehen habe Litauen gleich zweifach gegen das Menschenrecht auf Freiheit verstoßen, urteilten die Straßburger Richter. Das litauische Recht sehe keine Möglichkeit vor, Menschen für eine psychiatrische Untersuchung ihrer Freiheit zu berauben. Auch die Tatsache, dass die Frau sich nicht selbst vor Gericht verteidigen durfte und keine neue Untersuchung vor ihrer einjährigen Unterbringung in einer Psychiatrie angefertigt wurde, stehe im Widerspruch zur Menschenrechtskonvention.

EGMR, Urteil vom 26.06.2018 - 691/15

Redaktion beck-aktuell, 26. Juni 2018 (dpa).

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