Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Belgien im Zusammenhang mit einem Sterbehilfe-Verfahren verurteilt. Das Gericht urteilte nicht über das Recht auf Sterbehilfe, sondern über das anschließende Prüfverfahren in einem konkreten Fall, wie die Richter am Dienstag in Straßburg mitteilten. Es ging um eine Frau, die 40 Jahre lang an einer chronischen Depression und einer schweren Persönlichkeitsstörung litt und sterben wollte.
Sohn klagte nach Tod der Mutter
Nach eingehender Prüfung wurde ihrem Antrag auf Sterbehilfe entsprochen. Ihr Sohn klagte nach ihrem Tod, dass der Staat den Verpflichtungen zum Schutz des Lebens seiner Mutter nicht nachgekommen sei, weil das gesetzlich vorgeschriebene Sterbehilfe-Verfahren nicht eingehalten worden sei.
Fehler nur bei Verfahren nach Tod
Das Gericht gab ihm teilweise Recht. Der Antrag der Mutter, ihr Leben zu beenden, sei zwar aus freiem Willen, wiederholt und ohne Druck von außen gestellt worden. Außerdem habe sie sich in einer medizinisch unheilbaren Situation befunden. Insofern seien die Voraussetzungen für Sterbehilfe erfüllt gewesen. Allerdings seien den Behörden bei dem Verfahren nach dem Tod Fehler unterlaufen. Die prüfende Behörde war demnach nicht unabhängig genug, unter anderem, weil in der Kommission auch der Arzt saß, der die Sterbehilfe durchgeführt hatte.
Belgien muss dem Sohn der Toten nun 2.211,30 Euro für seine Auslagen zahlen.
EGMR, Urteil vom 04.10.2022 - 78017/17
Redaktion beck-aktuell, 5. Oktober 2022 (dpa).
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Zum Thema im Internet
Das Urteil im Volltext finden Sie auf der Internetseite des EGMR in französischer Sprache.
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