EGMR: Türkei muss Oppositionspolitiker Demirtas freilassen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 22.12.2020 die sofortige Freilassung des prokurdischen Politikers Selahattin Demirtas aus der Haft in der Türkei angeordnet und ihm zudem insgesamt 60.400 Euro für Vermögensschäden, immaterielle Schäden sowie Ausgleich für Kosten und Ausgaben zugestanden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Freiheit und Sicherheit seien unter anderem verletzt worden, so der EGMR.

Zahlreiche Prozesse laufen

Demirtas (47) ist ehemaliger Vorsitzender der prokurdischen Partei HDP. Anfang November 2016 waren er und seine damalige Co-Chefin Figen Yüksekdag verhaftet worden. Zuvor war die Immunität von Demirtas als Abgeordneter aufgehoben geworden. Gegen den Politiker laufen zahlreiche Prozesse. Im sogenannten Hauptverfahren ist Demirtas unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation angeklagt.

Inhaftierung als Mittel zum Zweck

Demirtas` Inhaftierung während des Referendums für ein Präsidialsystem in der Türkei 2017 und der Präsidentschaftswahlen 2018 habe den konkreten Zweck gehabt, Pluralismus zu unterdrücken und die Freiheit der politischen Debatte einzuschränken, erklärte der EGMR nun in seinem Urteil.

Frühere Freilassungsanordnung nicht umgesetzt

Bereits 2018 hatte das Straßburger Gericht die Freilassung des Politikers angeordnet, weil die lange Untersuchungshaft ungerechtfertigt sei. Die Türkei setzte das Urteil aber nicht um. Der Fall landete vor der Großen Kammer des EGMR, also vor der höchsten Instanz des Straßburger Gerichts.

Inzwischen neuer Haftbefehl ergangen

Inzwischen liegt auch ein neuer Haftbefehl gegen Demirtas vor. Ein diesbezüglicher Antrag des Politikers beim EGMR ist nach Angaben des Gerichts noch anhängig. Die Türkei als Mitglied des Europarats muss Urteile des EGMR umsetzen.

EGMR, Urteil vom 22.12.2020 - 14305/17

Redaktion beck-aktuell, 23. Dezember 2020 (dpa).