Türkei für Entlassung einer Putzfrau wegen Facebook-Likes verurteilt

Die Türkei hat mit der Entlassung einer Putzfrau des Bildungsministeriums wegen mehrerer Facebook-Likes gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verstoßen. Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg am 15.06.2021 urteilte, haben die türkischen Behörden keine ausreichenden und relevanten Gründe für die fristlose Kündigung der Vertragsarbeiterin gegeben. Die Türkei muss der Frau nun 2.000 Euro zahlen.

Putzfrau wegen Facebook-Likes entlassen

Kern des Rechtsstreits sind mehrere Posts auf Facebook, die die Frau mit einem "Like" versehen hatte. In den Posts wird dem Gericht zufolge unter anderem zu Protesten aufgerufen und Missbrauch an Schülern angeprangert. Nachdem Ermittlungen gegen die Frau eingeleitet worden waren, wurde sie in diesem Zusammenhang wegen Verstößen gegen Arbeitsvereinbarungen als Putzkraft im Bildungsdirektorat Seyhan entlassen. Die Inhalte der Posts würden wahrscheinlich den Frieden des Arbeitsplatzes stören, befand ein Arbeitsgericht und lehnte ihre Berufung ab.

Posts waren von Meinungsfreiheit gedeckt

Das Menschenrechtsgericht urteilte, dass die fraglichen Posts sich auf Themen von öffentlichem Interesse bezogen und Eingriffe in das Recht auf Meinungsfreiheit hier nur sehr begrenzt zu rechtfertigen seien. Die Behörden hätten es außerdem verfehlt, den potenziellen Einfluss der Likes zu beurteilen. Wegen ihrer Position habe die Klägerin wohl nur wenig Einfluss an ihrem Arbeitsplatz gehabt.

EGMR beanstandet weiteren Fall der Missachtung von Meinungsfreiheit

Auch in einem weiteren Fall von Meinungsfreiheit wurde die Türkei heute verurteilt. Das Menschenrechtsgericht befand, dass ein Student zu Unrecht für negative Kommentare über den damaligen Premierminister und heutigen Staatschef Recep Tayyip Erdogan in einer öffentlichen Debatte zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Dass Staatsbedienstete durch ein Gesetz zu Beleidigungen einen höheren Schutz als Privatpersonen hätten, entspreche nicht der Europäischen Menschenrechtskonvention. 

EGMR, Urteil vom 15.06.2021 - 35786/19

Redaktion beck-aktuell, 15. Juni 2021 (dpa).