EGMR: Polen muss russische Asylbewerber wegen monatelangen Festhaltens in "Migrationszentrum" entschädigen

Polen muss einer russischen Familie, die um Asyl nachgesucht hatte, wegen ihrer ungerechtfertigten monatelangen Zwangsunterbringung in einem umzäunten Zentrum für Migranten eine Entschädigung von 12.000 Euro zahlen. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Urteil vom 10.04.2018 entschieden. Die polnischen Behörden hätten damit gegen das Recht auf Achtung des Familienlebens verstoßen, so der EGMR (Az.: 75157/14).

Polen hielt zurückgeschobene russische Familie mehrere Monate in "Migrationszentrum" fest

Die Beschwerdeführer hatten 2012 erfolglos Asyl in Polen beantragt und flohen nach dem negativen Bescheid nach Deutschland. Deutsche Behörden schoben die Mutter und ihre drei Kinder zurück nach Polen ab, der Vater blieb in Deutschland in einem Krankenhaus. Von Januar bis Juni 2014 wurden Mutter und Kinder in dem Zentrum festgehalten, das mit stacheldrahtbewehrten Mauern laut dem Gericht einer Haftanstalt ähnelt. Der Vater stieß im Februar 2014 dazu. Schließlich ließen die polnischen Behörden die Familie gehen. Sie lebt mittlerweile in Herne in Deutschland.

EGMR: Monatelanges Festhalten der Familie nicht gerechtfertigt

Der EGMR sah das Recht der Beschwerdeführer auf Achtung des Familienlebens (Art. 8 EMRK) verletzt und sprach der Familie eine Entschädigung von 12.000 Euro zu. Polen habe keine Gründe genannt, die das mehr als fünf Monate lange Festhalten der russischen Asylbewerber hätten rechtfertigen können. Außerdem hätten die Behörden es versäumt, andere Maßnahmen als die Unterbringung in dem Zentrum ins Auge zu fassen. Die Prüfung erneuter Asylanträge der Familie habe zu lange gedauert - besonders angesichts der Tatsache, dass währenddessen Kinder festgehalten worden seien.

EGMR, Urteil vom 10.04.2018 - 75157/14

Redaktion beck-aktuell, 10. April 2018 (dpa).

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