Kein Behördenversagen bei Kindesmord in Österreich

Im Fall eines von seinem Vater ermordeten Jungen in Österreich sieht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kein Versagen der Behörden. Eine reelle und unmittelbare Gefahr eines Angriffs auf das Leben der Kinder der Familie sei nicht erkennbar gewesen, urteilte das Straßburger Gericht am 15.06.2021. Es habe deshalb keine Pflicht der Behörden gegeben, weitere Maßnahmen zu treffen. Das Recht auf Leben sei von den Behörden nicht verletzt worden.

Vater setzte sich über Kontaktverbot hinweg und erschoss achtjährigen Sohn

Geklagt hatte eine Frau, die 2012 die Scheidung von ihrem Ehemann eingereicht und ihn wegen Vergewaltigung und Drohungen angezeigt hatte. Die Polizei verhängte gegen ihn ein zweiwöchiges Verbot, die Familienwohnung und deren nähere Umgebung zu betreten. Wenige Tage später ging der Mann zur Schule seiner Kinder und bat eine Lehrkraft, diese zu sehen. Der achtjährige Junge wurde daraufhin mit Kopfschuss gefunden und starb im Krankenhaus. Sein Vater erschoss sich.

EGMR entlastet Behörden – Maßnahmen waren angemessen

Die Klägerin wirft den Behörden vor, ihren damaligen Ehemann nicht in Untersuchungshaft gesteckt zu haben. Es hätte klar sein müssen, dass ein Kontaktverbot keinen ausreichenden Schutz biete. Das Menschenrechtsgericht befand, dass die österreichischen Behörden schnell und sorgfältig reagiert hätten. Die getroffenen Maßnahmen erschienen demnach zum Zeitpunkt angemessen, um weitere Gewalt an den Kindern zu verhindern. Dass der Mann sich eine Waffe zulegen und seinen Sohn töten würde, sei nicht wahrscheinlich erschienen. Das Gericht wies zudem darauf hin, dass Untersuchungshaft nicht als Präventionsmaßnahme eingesetzt werden könne.

Redaktion beck-aktuell, 15. Juni 2021 (dpa).