EGMR: Aussicht auf Verminderung der Strafe ist Menschenrecht
Hintergrund ist der Fall eines Mafia-Chefs, der 1999 wegen Straftaten einschließlich Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden war. Nach italienischem Recht hätte sich der Mann zufolge nur dann für eine frühere Entlassung aus dem Gefängnis qualifizieren können, wenn er mit der Justiz zusammenarbeitet. Dies verstoße jedoch gegen die Konvention, die für alle Häftlinge zumindest eine Aussicht auf Verminderung der Strafe als Menschenrecht vorsieht, entschied der EGMR im Juni 2019.
Resozialisierungs- und Sicherheitsaspekte bleiben unberücksichtigt
Gefangene könnten sich aus Angst vor Vergeltung gegen sich selbst oder Familienmitglieder weigern, mit der Justiz zusammenzuarbeiten, betonte der Gerichtshof im Juni. Zudem kritisierte er, dass die Zusammenarbeit mit der Justiz als einziges Mittel für eine frühere Haftentlassung außer Acht lasse, ob der Häftling Fortschritte mache. Darüber hinaus könne nicht bestimmt werden, wie gefährlich eine Person für die Gesellschaft sei, so der Gerichtshof.
Italien über Entscheidung empört
Die Entscheidung bedeute jedoch nicht, dass der Mafia-Boss nun vorzeitig entlassen werde, betonte der Gerichtshof. In Italien sorgte die Entscheidung für Empörung. "Wir teilen die Entscheidung des EGMR absolut nicht, wir nehmen sie zur Kenntnis und werden auf allen Ebenen den Standpunkt der italienischen Regierung zur Geltung bringen", sagte Justizminister Alfonso Bonafede laut Nachrichtenagentur Ansa.