EGMR fordert Entlassung Kavalas aus Haft in Türkei

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die sofortige Freilassung des türkischen Intellektuellen Osman Kavala aus der Untersuchungshaft gefordert. "Das Gericht ist der Ansicht, dass die Regierung alle notwendigen Maßnahmen ergreifen muss, um die Inhaftierung des Antragstellers zu beenden und seine sofortige Freilassung sicherzustellen", erklärte der Gerichtshof am 10.12.2019 in Straßburg. Kavala sitzt seit rund zwei Jahren in Untersuchungshaft und ist im Hochsicherheitsgefängnis Silivri westlich von Istanbul inhaftiert.

Türkei ignoriert EGMR-Urteil von 2018 zu Freilassung prokurdischen Politikers

Seine Anwälte begrüßten die Entscheidung, kritisierten jedoch, dass sie spät gefallen sei. Das Urteil müsse nun umgehend umgesetzt werden, forderten sie. Urteile des EGMR sind für die Türkei als Mitglied des Europarats eigentlich bindend. Im Fall des pro-kurdischen Politikers Selahattin Demirtas, der seit rund drei Jahren inhaftiert ist, hatte Ankara eine Entscheidung der Straßburger Richter allerdings nicht umgesetzt. Diese hatten im Jahr 2018 die Freilassung Demirtas' angeordnet. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte daraufhin erklärt, er fühle sich an das Urteil nicht gebunden.

EGMR: Menschenrechtsverteidiger durch Haft zum Schweigen gebracht

Im Fall Kavalas kam der EGMR am 10.12.2019 zu dem Schluss, dass dieser und mit ihm alle Menschrechtsverteidiger mit der Inhaftierung zum Schweigen gebracht werden sollen. Es liege zudem ein Verstoß gegen Art. 18 EMRK und damit der Vorwurf eines politischen Verfahrens vor. Kavala wird unter anderem ein Umsturzversuch im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 vorgeworfen. Er wird unter anderem beschuldigt, die Proteste mit ausländischer Hilfe finanziert zu haben.

Nächster Verhandlungstag im Gezi-Prozess an Heiligabend

Der EGMR betonte in seiner Entscheidung, dass dafür keine ausreichenden Beweise vorgelegt worden seien. Erst im Oktober 2019 hatte ein türkisches Gericht entschieden, dass Kavala weiter in Untersuchungshaft bleiben muss. Im sogenannten Gezi-Prozess, der auch international aufmerksam verfolgt wird, sind neben Kavala noch 15 weitere Aktivisten angeklagt. Die nächsten Verhandlungstage sind für den 24. und 25.12.2019 angesetzt.

Redaktion beck-aktuell, 11. Dezember 2019 (dpa).

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