EGMR: Deutschland hat mit Abfrage von Kontodaten eines Anwalts dessen Grundrechte verletzt

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Deutschland wegen der Abfrage von Kontodaten eines Strafverteidigers verurteilt. Die Maßnahme im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens habe das Berufsgeheimnis sowie das Recht auf Privatsphäre des Anwalts verletzt, heißt es in dem Straßburger Urteil vom 27.04.2017. Die Abfrage und Speicherung der Daten sei nicht verhältnismäßig und "notwendig in einer demokratischen Gesellschaft" gewesen (Az.: 73607/13).

Verdacht auf Bezahlung des Anwalts mit illegalen Geldern

Die Staatsanwaltschaft hatte gegen einen der Mandanten des Anwalts wegen organisierten Betrugs ermittelt. Dabei kam der Verdacht auf, dass der Mandant seinen Verteidiger mit illegalen Geldern bezahlt hatte, weshalb die Ermittler bei der Bank die Daten abfragten.

EGMR: Verdacht eher vage – Kontodaten legten berufliche Aktivitäten des Anwalts komplett offen

Die Straßburger Richter störten sich am Umfang der Maßnahme. Diese sei zwar lediglich zeitlich begrenzt gewesen. Die Kontodaten hätten den Ermittlern aber ein "komplettes Bild" über die beruflichen Aktivitäten des Anwalts sowie Informationen über dessen Mandanten gegeben. Zudem sei der Verdacht gegen den Verteidiger "eher vage" gewesen.

Anwalt soll mit 4.000 Euro entschädigt werden

Dem Anwalt steht nach dem Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, eine Entschädigung von 4.000 Euro zu. Ein strukturelles Problem gibt es aus Sicht des Deutschen Anwaltvereins allerdings in Deutschland in dieser Frage nicht. Die Fallgestaltung sei "einzigartig".

EGMR, Urteil vom 27.04.2017 - 73607/13

Redaktion beck-aktuell, 27. April 2017.

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