EGMR beschließt Verfahrenserleichterungen für Beschwerden aus Erdbebengebiet

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mit Blick auf das Erdbeben am 06.02.2023 in Teilen Syriens und der Türkei eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, welche die Handhabe der aus der türkischen Region kommenden Fälle durch das Gericht betreffen. Insbesondere sollen die formellen Voraussetzungen für Beschwerdeführer erleichtert und prozessuale Fristen unter Umständen verlängert werden.

Aussetzung der Prüfung der formellen Voraussetzungen

Wie aus einer Pressemeldung des EGMR hervorgeht, soll die Prüfung der formellen Voraussetzungen einer Beschwerde gemäß Regel 47 der Gerichtsordnung vorläufig ausgesetzt werden. Dies gelte sowohl für Beschwerden, die nach dem 06.02.2023 eingegangen sind, als auch für jene, die davor eingegangen sind und bei denen die Prüfung der formellen Voraussetzungen noch nicht abgeschlossen war. Die sogenannte Vier-Monats-Frist, also die Frist, in der eine Beschwerde nach der letzten nationalen Gerichtsentscheidung beim EGMR eingehen muss, soll unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls verlängert werden. Das gleiche gilt für die sogenannte Drei-Monats-Frist, nach der innerhalb von drei Monaten ab Erlass der Entscheidung ein Antrag auf Weiterleitung der Sache an die Große Kammer beantragt werden kann.

Fristverlängerungen möglich

Des Weiteren soll eine Sache nur dann an die beklagte Partei weitergeleitet werden, wenn diese auch in der Lage ist, den Fall effektiv zu bearbeiten. Ausgehende Korrespondenz soll unter Ausschöpfung aller vorhandenen Möglichkeiten an die Parteien versendet werden. Dies gilt auch für Gerichtsentscheidungen. Letztere sollen zudem auf der Internetseite des EGMR veröffentlicht werden. Anfragen zu Fristverlängerungen sollen einzelfallbezogen bearbeitet werden. Schließlich will der Gerichtshof bis auf Weiteres nicht von seiner Möglichkeit Gebrauch machen, Beschwerden aus dem Beschwerderegister zu streichen, wenn insbesondere der Beschwerdeführer nicht mehr beabsichtigt, sein Interesse weiter zu verfolgen oder sich die Sache erledigt hat. Von entsprechenden Abmahnungen will der EGMR ebenfalls bis auf Weiteres absehen.

Redaktion beck-aktuell, 13. März 2023.