Geklagt hatten 32 spanische Staatsangehörige, darunter Josep Costa i Rosselló und Eusebi Campdepadrós i Pucurull. Beide waren von Januar 2018 bis März 2021 Mitglieder des Präsidiums des Parlaments von Katalonien. Die anderen Kläger waren zu dieser Zeit dort Abgeordnete.
Ende 2015 beschloss das katalanische Parlament die Abspaltung Kataloniens von Spanien. In einer Resolution legte es fest, Schritte zur Einleitung dieses Prozesses zu unternehmen und die Zuständigkeit des spanischen Verfassungsgerichts nicht mehr anzuerkennen. Letzteres erklärte diese Entschließung für verfassungswidrig und ungültig. Es folgten eine Reihe ähnlicher Entschließungen, die alle das gleiche Schicksal erlitten. Das Präsidium des katalanischen Parlaments ließ sich davon nicht abhalten, mehrere Beschlüsse zu fassen, die auf ähnliche Entschließungen gerichtet waren.
Die beiden Präsidiumsmitglieder wurden in der Folge persönlich davor gewarnt, Initiativen zu ergreifen, die dazu führen könnten, dass frühere Urteile des Verfassungsgerichts ignoriert oder umgangen werden. Im März 2021 wurde schließlich ein Strafverfahren gegen sie eingeleitet. Beide wurden freigesprochen, derzeit ist das Verfahren in der Berufung anhängig. Die Abgeordneten des katalanischen Parlaments sehen sich in ihren Rechten aus der EMRK verletzt und zogen vor den EGMR.<
Unabhängigkeit Kataloniens nur im spanischen Parlament diskutierbar
Der EGMR wies die Beschwerden zurück (Entscheidung vom 27.02.2025 – 29780/20): Die Entscheidungen des spanischen Verfassungsgerichts seien rechtmäßig und vorhersehbar gewesen. Es sei ihm um den Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung als Garant für die territoriale Integrität Spaniens gegangen, nachdem das katalanische Parlament beabsichtigt habe, die spanische Verfassung mit anderen Mitteln als den gesetzlich vorgesehenen zu ändern. Da das unzulässig sei, habe das Verfassungsgericht die Beschlüsse für nichtig erklärt, die - unter Umgehung der Verfassung - einen unabhängigen katalanischen Staat fördern und Spaniens Status als konstitutionelle Monarchie beenden sollten. Entsprechende Resolutionen aber könnten lediglich im spanischen Parlament, nicht aber im katalanischen Regionalparlament erörtert werden.
Auch bezüglich des Strafverfahrens gegen Costa i Rosselló sieht sich der EGMR nicht gefordert: Dieses habe sich auf eine Vorschrift des spanischen Strafgesetzbuches gestützt und sei vorhersehbar gewesen. Der EGMR nahm auch den Vorwurf der Befangenheit der Richter im Strafverfahren in den Blick, verwies aber auf die in Spanien verfügbaren Rechtsmittel, die nicht ausgeschöpft worden seien.
Auch die Beschwerde der Abgeordneten, sie seien aufgrund ihrer politischen Ideologie diskriminiert worden, blieb erfolglos: Dafür müssten sie nachweisen, anders behandelt worden zu sein als andere Personen oder eine andere Gruppe in einer vergleichbaren Situation. Das sei den Parlamentarierin hier nicht gelungen.