Fehlender Sex begründet keine Schuld an Scheidung

Eine Frau verweigert ihrem Ehemann Sex – ist sie deswegen schuld an der Scheidung? Ein französisches Gericht bejahte das, wurde dafür aber jetzt vom EGMR gerügt, der einen Verstoß gegen die Menschenrechte sah.

Geklagt hatte eine Frau aus Frankreich, deren Mann sich unter anderem von ihr scheiden ließ, weil sie keine sexuellen Beziehungen mehr zu ihm pflegte. Die Frau war mit der Scheidung an sich einverstanden, nicht aber mit der Begründung. Das Berufungsgericht in Versailles gab allerdings dem Mann recht und schrieb der Frau die alleinige Schuld an der Scheidung zu. Das Ausbleiben einer sexuellen Beziehung stelle eine "schwere und wiederholte Verletzung der ehelichen Pflichten dar".

In Deutschland spielt die Frage, wer schuld an der Trennung ist, seit Jahrzehnten für die Scheidung keine Rolle mehr. In Frankreich ist das anders: Dort können nach Angaben des Gerichtshofs auch Schadensersatzansprüche fällig werden.

Die Frau hatte nach der Entscheidung des Berufungsgerichts in Versailles vor dem EGMR geklagt. Dort machte sie eine Verletzung ihres Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens geltend. Die Richter stimmten ihr zu: Eine Verpflichtung zum regelmäßigen Sex in der Ehe verstoße gegen die sexuelle Freiheit, das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und laufe der Bekämpfung von sexueller und häuslicher Gewalt zuwider (Urteil vom 23.01.2025 – 13805/21). Der Mann hätte auch einfach die unwiederbringliche Zerrüttung der Ehe als Hauptgrund anführen können.

EGMR, Urteil vom 23.01.2025 - 13805/21

Redaktion beck-aktuell, bw, 23. Januar 2025.

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