Die Gesetze wurden am 4. März 2022 verabschiedet, mithin kurz nach Beginn der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022. Damit wurde es zum Verbrechen, das Militär zu "diskreditieren" oder "falsche Informationen" über dessen Aktionen zu verbreiten. Der Angriff auf die Ukraine durfte – entsprechend der offiziellen Darstellung – nur als "besondere militärische Operation" bezeichnet werden. Wer sich nicht daran hielt, wurde verurteilt, so die 178 Einzelpersonen und zwei unabhängigen Medienorganisationen, die vor dem EGMR klagten.
Die Verurteilungen umfassten friedliche Anti-Kriegs-Proteste, Unterstützung für die Ukraine, historische Vergleiche mit früheren Kriegen und Berichte über zivile Opfer und mutmaßliche Kriegsverbrechen. Die Sanktionen reichten von Geld- bis hin zu Gefängnisstrafen, wobei die längste Strafe 25 Jahre betrug. Die Medienorganisationen Novaya Gazeta und Dozhd TV wurden geschlossen, ihre Websites blockiert und ihre Lizenzen widerrufen.
Der EGMR stellte fest, dass die Maßnahmen weit über den Schutz nationaler Interessen hinausgingen und darauf abzielten, jede abweichende Meinung zu unterdrücken (Urteil vom 11.02.2025 – 11884/22 u.a.). Die russischen Gerichte hätten keine Anstrengungen unternommen, die konkurrierenden Interessen abzuwägen oder die Genauigkeit der Berichte zu prüfen. Stattdessen hätten sie sich ausschließlich auf offizielle Dementis gestützt.
Die Maßnahmen gegen die Medienorganisationen und Einzelpersonen sieht der EGMR als Teil einer breiteren Kampagne zur Unterdrückung von Dissens an. So hätten die Sanktionen nicht nur bestrafend, sondern auch einschüchternd gewirkt und wichtige unabhängige Stimmen in der russischen Gesellschaft zum Schweigen gebracht.
Neben der Verletzung der Meinungsfreiheit stellte der EGMR auch Verstöße gegen das Recht auf individuelle Beschwerde fest, da Russland die Veröffentlichungslizenz von Novaya Gazeta trotz einstweiliger Maßnahmen des Gerichts widerrufen hatte. Weitere Verstöße betrafen die Rechte auf Freiheit und Sicherheit, das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.