Das Eckpunktepapier zur Reform des Kindschaftsrechts enthält Vorschläge zur Reform des Sorge- und Umgangsrechts sowie des Adoptionsrechts. Das Wechselmodell, das viele Eltern nach einer Trennung schon jetzt leben, soll erstmalig gesetzlich geregelt werden: Es soll klargestellt werden, dass das Familiengericht in einem Umgangsverfahren eine Betreuung durch beide Elternteile, auch eine paritätische Betreuung, anordnen kann – wenn dies dem Kindeswohl am besten entspricht.
Ein Vater, der mit der Mutter zusammenwohnt, aber nicht verheiratet ist, soll künftig einfacher das Sorgerecht erlangen können. Wenn die Mutter nicht widerspricht, soll eine einseitige, beurkundete Erklärung ausreichen. Generell sollen Eltern mehr Autonomie in Bezug auf ihr Sorgerecht erhalten: Sie sollen die Alleinsorge eines Elternteils vereinbaren können, auch eine Übertragung der elterlichen Sorge von einem Elternteil auf den anderen soll leichter möglich sein. Auch sollen sie künftig durch Vereinbarung bis zu zwei weiteren Personen – zum Beispiel ihren jeweils neuen Partnern – sorgerechtliche Befugnisse einräumen können, das sogenannte "Kleine Sorgerecht". Ähnlich beim Umgangsrecht: Mit Dritten sollen die sorgeberechtigten Eltern künftig auch Vereinbarungen über den Umgang mit dem Kind schließen können.
Kinder sollen ein Recht auf Umgang mit Großeltern und Geschwistern, mit anderen Bezugspersonen sowie mit leiblichen, nicht rechtlichen Elternteilen erhalten. Ab dem Alter von 14 Jahren sollen sie im Sorge- und Umgangsrecht künftig ausdrückliche Mitentscheidungsbefugnisse haben. So sollen sie z.B. eine erneute Entscheidung über eine bereits getroffene Umgangsregelung beantragen können.
Der Schutz vor häuslicher Gewalt im Sorge- und Umgangsrecht soll verbessert werden. Es soll klargestellt werden, dass das Familiengericht in Umgangsverfahren Anhaltspunkten für häusliche Gewalt gegenüber dem Kind und/oder dem anderen Elternteil und deren Folgen umfassend und systematisch nachgehen und eine Risikoanalyse vornehmen muss. Bei Partnerschaftsgewalt soll ein gemeinsames Sorgerecht regelmäßig ausscheiden. Es soll klargestellt werden, dass das Familiengericht den Umgang beschränken oder ausschließen kann, wenn dies erforderlich ist, um eine konkrete Gefährdung des betreuenden Elternteils durch einen gewalttägigen Ex-Partner abzuwenden.
Auch Paare, die nicht verheiratet sind, sollen gemeinsam ein Kind adoptieren können. Bisher ist dies nur verheirateten Paaren möglich. Verheiratete Personen sollen künftig auch allein ein Kind adoptieren können.
Abstammungsrecht wird an Entwicklungen der Moderne angepasst
Das Eckpunktepapier zur Reform des Abstammungsrechts enthält Regelungen zur Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen und verschiedengeschlechtlichen Paaren: Wird ein Kind in eine Partnerschaft von zwei Frauen geboren, soll die Partnerin der Frau, die das Kind geboren hat, künftig ebenfalls ohne Adoptionsverfahren Mutter des Kindes werden können. Sind beide Frauen verheiratet, soll die Ehefrau der Frau, die das Kind geboren hat, im Zeitpunkt der Geburt kraft Gesetzes ebenfalls Mutter des Kindes werden. Außerdem soll es möglich sein, durch Anerkennung der Mutterschaft rechtliche Mutter zu werden – so wie auch ein Mann die Vaterschaft für ein Kind anerkennen kann.
Im Fall von Samenspenden soll es mehr Rechtssicherheit durch Elternschaftsvereinbarungen geben: Vor Zeugung eines Kindes soll vereinbart werden können, wer neben der Frau, die das Kind geboren hat, Vater oder Mutter des Kindes werden soll. Ebenso soll die Rechtsposition des leiblichen Vaters gestärkt werden. Solange ein gerichtliches Verfahren läuft, in dem ein Mann seine Vaterschaft feststellen lassen will, soll grundsätzlich kein anderer Mann die Vaterschaft für dieses Kind anerkennen können.
Außerdem soll eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater die Anfechtung der Vaterschaft nicht mehr kategorisch ausschließen. Erwartet eine verheiratete Frau ein Kind von einem anderen Mann als ihrem Ehemann, soll der andere Mann künftig einfacher rechtlicher Vater werden können, wenn die Mutter und ihr Ehemann einverstanden sind.
Kinder sollen es künftig leichter haben, ihr Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu verwirklichen. Dazu soll es ein statusunabhängiges Feststellungsverfahren ohne Auswirkung auf die rechtliche Elternschaft geben. Ein Kind könnte so feststellen lassen, wer sein leiblicher Vater ist, ohne dazu die rechtliche Bindung zu seinem rechtlichen Vater kappen zu müssen. Darüber hinaus soll das Samenspenderregisters zu einem allgemeinen Spenderregister ausgebaut werden, in dem auch private Samenspenden und Embryonenspenden erfasst werden können.