Eckpunkte der Regierung zur Entlastung von Gas- und Stromkunden

Kurz vor den heutigen Beratungen mit den Ländern hat der Bund Eckpunkte zur Entlastung von Strom- und Gaskunden vorgelegt. Die Regierung will eine "Winterlücke" bis zur Wirkung der geplanten Gaspreisbremse für Haushalte, die ab März 2023 greifen soll, schließen. "Es wird darüber hinaus eine rückwirkende Entlastung zum 1. Februar angestrebt", heißt es in einem gestern bekannt gewordenen Papier der Bundesregierung. Die ebenfalls geplante Strompreisbremse soll ab Januar 2023 greifen.

Gaspreisbremse für Haushalte und kleinere Unternehmen

Die Energiepreisbremsen sollen den Plänen zufolge bis zum 30.04.2024 gelten. Haushalte und kleinere Unternehmen sollen der Regierung zufolge für 80 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs einen garantierten Gas-Bruttopreis von 12 Cent pro Kilowattstunde bekommen. Für die restlichen 20 Prozent des Verbrauchs soll der Vertragspreis gelten. Für Fernwärme soll der garantierte Bruttopreis bei 9,5 Cent liegen. Als Vorjahresverbrauch soll die Jahresverbrauchsprognose gelten, die der Abschlagszahlung für den September zugrunde gelegt wurde. Bei neuen Gasbezugsverträgen gelten laut eines Papiers aus dem Kanzleramt wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine Preise von im Schnitt etwa 21 Cent pro Kilowattstunde. Die monatliche Entlastung durch die Preisbremse soll nicht zurückgezahlt werden müssen, auch wenn die tatsächliche Verbrauchsmenge deutlich unter den 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs liegt. Das soll einen Anreiz zum Energiesparen geben. Bei Haushalten mit höheren Einkommen soll die Entlastung ab 2023 als geldwerter Vorteil besteuert werden. Die Expertenkommission hatte dazu ein Einkommen von mehr als 75.000 Euro im Jahr genannt.

Gaspreisbremse für Industrie

Auch für die Industrie ist eine Gaspreisbremse geplant, und zwar bereits ab Januar. Diese großen Verbraucher sollen einen Garantiepreis von 7 Cent pro Kilowattstunde netto für 70 Prozent ihrer bisherigen Verbrauchsmenge erhalten, bezogen auf den Verbrauch von November 2021 bis Oktober 2022. Dazu kommen dann Steuern und Abgaben. Die industrielle Gaspreisbremse soll für etwa 25 000 Unternehmen sowie 1900 Krankenhäuser gelten.

Einmalzahlungen zur Überbrückung: Freistellung von Abschlagszahlung im Dezember 

Zur Überbrückung bis zur Gaspreisbremse ist bisher eine Einmalzahlung geplant - das Bundeskabinett will einen entsprechenden Gesetzentwurf heute beschließen. Wie die nun angekündigte weitere Entlastung aussehen soll, ist offen. Ein Sprecher des Stadtwerkeverbandes VKU sagte, die komplexe zweite Stufe der Gas- und Fernwärmepreisbremse von März auf Januar oder Februar vorzuziehen, sei technisch nicht so schnell umsetzbar. "Wenn die Politik für Februar allerdings eine rückwirkende Entlastung anstrebt, dann muss diese so pauschal und einfach wie möglich ausgestaltet sein." Für die "Soforthilfe" im Dezember soll für Letztverbraucher von Erdgas im Dezember die Pflicht entfallen, die vertraglich vereinbarte Voraus- oder Abschlagszahlung zu leisten. Die Entlastung soll auf Grundlage der Jahresverbrauchsprognose einschließlich September sowie dem Gaspreis vom Dezember errechnet werden. 

Mieter-Entlastung mit Betriebskostenabrechnung

Für Mietverhältnissen ist Folgendes geplant: Viele Vermieter hätten die monatliche Vorauszahlung noch nicht an die gestiegenen Energiepreise angepasst. Daher kämen die höheren Preise bei den Mietern im Rahmen der Betriebskostenabrechnung für dieses Jahr an, die aber erst im folgenden Jahr 2023 erstellt wird. Daher sollen Vermieter die Entlastung mit der nächsten jährlichen Betriebskostenabrechnung an die Mieter weitergeben. Damit profitierten diese von der Entlastung zu dem Zeitpunkt, in dem sie die gesamte Preissteigerung des Jahres 2022 durch eventuelle Nachzahlungen tragen müssten. Als möglich galt innerhalb der Bundesregierung aber, dass Mieter, die bereits höhere Abschläge zahlen, schon im Dezember entlastet werden.

Strompreisbremse für Haushalte und kleinere Unternehmen

Ab Januar soll eine Strompreisbremse greifen. Wie bei der Gaspreisbremse soll für Haushalte ein Grundkontingent von 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs für einen Brutto-Preis von 40 Cent je Kilowattstunden bereitgestellt werden. Der historische Verbrauch solle sich voraussichtlich an der Jahresverbrauchsprognose bemessen. Nach Angaben des Vergleichsportals Verivox liegt der bundesweite Strompreis derzeit bei durchschnittlich 48,16 Cent je Kilowattstunde. Für einen Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden lägen auf dieser Basis die aktuellen Jahreskosten bei rund 1.926 Euro pro Jahr. Bei der geplanten Deckelung würden die jährlichen Gesamtkosten um rund 14 Prozent auf 1.665 Euro sinken. Das entspreche einer Entlastung von rund 260 Euro pro Jahr. 

Strompreisbremse für Industrie

Auch für Industriebetriebe plant die Bundesregierung eine Strompreisbremse. Sie sollen einen garantierten Nettopreis von 13 Cent pro Kilowattstunde für ein Strom-Grundkontingent von 70 Prozent des historischen Verbrauchs bekommen, der sich am Jahresverbrauch für das Jahr 2021 bemisst. Eine Förderung der Industrie soll unter Beachtung des europäischen Beihilferechts erfolgen.

Abschöpfung von "Zufallsgewinnen"

Zur Mitfinanzierung der Strompreisbremse sollen "Zufallsgewinne"  von Unternehmen auf dem Strommarkt rückwirkend ab 1. September abgeschöpft werden. Das betrifft etwa Produzenten von Ökostrom aus Wind und Sonne, die zuletzt von hohen Preisen an der Börse profitiert haben. Hintergrund sind stark gestiegene Gaspreise und der Mechanismus zur Preisbildung auf dem Strommarkt. Die über die Abschöpfung erzielten Einnahmen werden auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt.

Finanzierung größtenteils über "Abwehrschirm"

Laut Papier kostet die Strompreisbremse für Haushalte und kleinere Unternehmen voraussichtlich zwischen 23 und 33 Milliarden Euro. Der Mittelbedarf für die industrielle Strompreisbremse werde auf weitere 30 bis 36 Milliarden Euro geschätzt. Für die Gaspreisbremse schätzt die Bundesregierung Kosten von über 30 Milliarden Euro. Die Kosten sind abhängig von der weiteren Entwicklung bei Preisen und Verbrauch. Der weitaus größte Teil dieser Entlastungen soll über einen "Abwehrschirm" mit einem Volumen bis zu 200 Milliarden Euro finanziert werden, der Bund macht dazu neue Schulden.

Auch Härtefonds geplant

Ein Härtefallfonds soll ferner ein Volumen von 12 Milliarden Euro umfassen. Geplant sind Regelungen für Verbraucher sowie kleine und mittlere Firmen, die von den Preisbremsen nicht genug entlastet werden - gelten soll dies laut Papier auch für Wohnungsunternehmen sowie Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen oder Kultureinrichtungen. Geplant sind etwa Zuschüsse und Kredite. Details zu den genauen Antragsbedingungen sind offen. Die Bundesregierung strebt außerdem laut Papier eine Härtefallregelung für selbstgenutztes Wohnungseigentum an, wo die Bevorratung anderer Heizmittel wie Öl und Holzpellets zu "unzumutbaren Belastungen" führe.

Noch Finanzierungsfragen zum Nahverkehr und Wohngeld

Heute berät Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder über offene Finanzfragen bei Entlastungen. Dabei geht es etwa um das Wohngeld und den Nahverkehr. Politiker auch aus den Ländern hatten kritisiert, die geplante Gaspreisbremse ab März komme zu spät. Hier ein Überblick über die geplanten Maßnahmen.

 

Gitta Kharraz, Andreas Hoenig, 2. November 2022 (dpa).