E-Pa­ti­en­ten­ak­te dro­hen War­nun­gen vor un­zu­rei­chen­dem Da­ten­schutz

Am 01.01.2021 soll die elek­tro­ni­sche Pa­ti­en­ten­ak­te star­ten. Der Bun­des­da­ten­schutz­be­auf­trag­te Ul­rich Kel­ber hält al­ler­dings die Aus­ge­stal­tung des Da­ten­zu­griffs für eu­ro­pa­rechts­wid­rig und plant daher War­nun­gen und An­wei­sun­gen. Er sagte der Deut­schen Pres­se-Agen­tur, er könne selbst­ver­ständ­lich dem Ge­setz­ge­ber keine Vor­ga­ben ma­chen und keine Ge­set­ze kor­ri­gie­ren. Er müsse aber ein­schrei­ten, wenn bei sei­ner Auf­sicht un­ter­lie­gen­den Stel­len Da­ten­ver­ar­bei­tungs­vor­gän­ge gegen gel­ten­de Da­ten­schutz­vor­schrif­ten ver­sto­ßen.

Kri­tik an "Alles oder Nichts"-Zu­griff auf Daten

E-Akten sol­len allen Ver­si­cher­ten ab dem 01.01.2021 zur frei­wil­li­gen Nut­zung an­ge­bo­ten wer­den und zum Bei­spiel Be­fun­de, Rönt­gen­bil­der und Me­di­ka­men­ten­plä­ne spei­chern. In der Kri­tik steht aber schon seit län­ge­rem, dass zum Start eine etwas "ab­ge­speck­te" Ver­si­on bei den Zu­griffs­rech­ten vor­ge­se­hen ist. So kön­nen Pa­ti­en­ten fest­le­gen, wel­che Daten über­haupt in die E-Akte sol­len und wel­cher Arzt sie sehen darf. Ge­naue­re Zu­grif­fe je nach Arzt nur für ein­zel­ne Do­ku­men­te kom­men aber erst An­fang 2022. Das zwin­ge Nut­zer zu einem "Alles oder Nichts", hatte Kel­ber wie­der­holt mo­niert – ein Zahn­arzt könne alle Be­fun­de eines Psych­ia­ters sehen. Die Op­po­si­ti­on kri­ti­siert das eben­falls.

Kel­ber plant zu­nächst Da­ten­schutz-War­nun­gen

Kel­ber plant daher War­nun­gen und An­wei­sun­gen an 65 ge­setz­li­che Kran­ken­kas­sen mit ins­ge­samt 44,5 Mil­lio­nen Ver­si­cher­ten, über die er die Da­ten­schutz­auf­sicht hat. Er sagte, er wolle vor dem 01.01.2021 eine War­nung an die ihm un­ter­ste­hen­den Kas­sen sen­den, dass eine reine Ge­set­zes-Um­set­zung "zu einem eu­ro­pa­rechts­wid­ri­gen, de­fi­zi­tä­ren Zu­griffs­ma­nage­ment" füh­ren würde.

So­dann An­wei­sung der Kas­sen zu EU-rechts­kon­for­mer Aus­ge­stal­tung des Zu­griffs­ma­nage­ments

"Der nächs­te Schritt wer­den An­wei­sun­gen sein." Sie sol­len die Kas­sen ver­pflich­ten, bis zum 31.12.2021 für eine Aus­ge­stal­tung des Zu­griffs­ma­nage­ments zu sor­gen, die der eu­ro­päi­schen Da­ten­schutz­grund­ver­ord­nung (DS-GVO) ent­spricht. In der Zwi­schen­zeit sol­len sie Ver­si­cher­ten, die ihre di­gi­ta­le Akte frei­wil­lig nut­zen möch­ten, "einen vor­ge­ge­be­nen Warn­text" zu­kom­men las­sen müs­sen. Kel­ber hatte Kon­se­quen­zen an­ge­kün­digt, wenn ein vom Bun­des­tag be­schlos­se­nes Da­ten­schutz­ge­setz für die E-Akten (Pa­ti­en­ten­da­ten-Schutz­ge­setz) un­ver­än­dert bleibt. Am 18.09.2020 kommt es ab­schlie­ßend in den Bun­des­rat, und der Ge­sund­heits­aus­schuss der Län­der­kam­mer emp­fiehlt, es zu bil­li­gen.

Ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um hat keine Be­den­ken

Das Ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um be­ton­te, das Ge­setz sei von den Ver­fas­sungs­res­sorts für Jus­tiz und In­ne­res um­fas­send ge­prüft wor­den. Die E-Akte sei eine frei­wil­li­ge An­wen­dung – über die Funk­ti­ons­wei­se müss­ten die Kas­sen ihre Ver­si­cher­ten vorab um­fas­send in­for­mie­ren. "Die Ver­si­cher­ten be­hal­ten die Ho­heit über ihre Daten." Dem Start am 01.01.2021 stün­den die An­kün­di­gun­gen des Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten nicht ent­ge­gen. Mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) will nach jah­re­lan­gem Ge­zer­re um mehr Funk­tio­nen der elek­tro­ni­schen Ge­sund­heits­kar­te Tempo bei der Di­gi­ta­li­sie­rung ma­chen. Die E-Akten sol­len schritt­wei­se mehr Funk­tio­nen be­kom­men und auch per Smart­pho­ne ab­ruf­bar sein.

War­nun­gen und An­wei­sun­gen auch be­züg­lich der IT-Si­cher­heit ge­plant

Kel­ber will auch mit Blick auf die IT-Si­cher­heit ein­schrei­ten – zu­nächst per War­nung an die Kas­sen. Nach dem 01.01.2021 will er sie dann an­wei­sen, bis spä­tes­tens zum 30.04.2021 ein "hoch" si­che­res Ver­fah­ren an­zu­bie­ten, mit dem man sich für eine be­rech­tig­te Nut­zung an­mel­den kann. Die vor­ge­se­he­nen Au­then­ti­fi­zie­rungs­ver­fah­ren seien "aus Da­ten­schutz­sicht nicht aus­rei­chend si­cher" und ent­sprä­chen nicht den DS-GVO-Vor­ga­ben, hatte er im Au­gust 2020 er­läu­tert.

Kel­ber will EuGH-Vor­la­ge­recht für Bun­des­da­ten­schutz­be­auf­trag­ten

Kel­ber be­ton­te, er un­ter­stüt­ze aus­drück­lich die Di­gi­ta­li­sie­rung des Ge­sund­heits­we­sens. "Sie bie­tet rie­si­ge Chan­cen für uns alle." Dies müsse aber auf Grund­la­ge der DS-GVO ge­sche­hen. Daher laute seine For­de­rung: "Eine si­che­re elek­tro­ni­sche Pa­ti­en­ten­ak­te für alle, bei der man seine Daten voll im Griff hat." Im ak­tu­el­len Fall sehe er, dass die ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­sen in einer "be­son­de­ren Si­tua­ti­on" seien: "Sie sol­len die Ge­set­ze um­set­zen, set­zen sich damit aber in Wi­der­spruch zum eu­ro­päi­schen Recht." Daher würde er sich ein fest­ge­schrie­be­nes Recht als Bun­des­da­ten­schutz­be­auf­trag­ter wün­schen, na­tio­na­le Nor­men bei ver­mu­te­ter Eu­ro­pa­rechts­wid­rig­keit dem Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof vor­le­gen zu kön­nen.

Redaktion beck-aktuell, Sascha Meyer, 16. September 2020 (dpa).

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