"Beitrag für eine faire Globalisierung"
Ziel ist es, Kinderarbeit, Ausbeutung und Naturzerstörung bei der globalen Produktion von Waren einzudämmen. Unternehmen sollen dafür sorgen, dass es in ihrer gesamten Lieferkette, auch international, nicht zu Verletzungen der Menschenrechte und Umweltvorgaben kommt. "Wir dürfen unseren Wohlstand in der globalen Wirtschaft nicht auf Kinderarbeit und Ausbeutung aufbauen", betonte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Die unternehmerische Verantwortung für Menschenrechte ende nicht am Werkstor des Unternehmens. Das sei auch eine Frage des fairen Wettbewerbs: Bisher seien Unternehmen, die sich freiwillig für den Schutz von Menschenrechten einsetzten häufig im Nachteil gegenüber den "schwarzen Schafen". "Dieses Gesetz wird einen Beitrag für eine faire Globalisierung leisten", betonte Heil. Entwicklungsminister Gerd Müller erklärte: "Dieses Gesetz wird Millionen von Kindern und Familien in Entwicklungsländern ein Stück bessere Lebenschancen und Zukunftsperspektiven geben." Der CSU-Politiker forderte die EU auf, die deutsche Regelung zum Vorbild für die Einhaltung von Menschenrechten in allen europäischen Lieferketten zu nehmen.
Abgestufte Verantwortung der Unternehmen
Die Firmen sollen künftig ihre gesamte Lieferkette im Blick haben, aber abgestuft verantwortlich sein. Wird einer Firma ein Missstand in der Lieferkette bekannt, soll sie verpflichtet werden, für Abhilfe zu sorgen. Zudem sollen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften die Möglichkeit bekommen, Betroffene vor deutschen Gericht zu vertreten. Bisher konnten Geschädigte nur selbst klagen, was aber in der Praxis an den Lebensumständen scheiterte.
Keine zusätzlichen zivilrechtlichen Haftungsrisiken
Eigentlich sollte das Lieferkettengesetz bereits vor zwei Wochen endgültig im Bundestag beschlossen werden. Es wurde jedoch in letzter Minute von der Tagesordnung gestrichen, weil Unionsabgeordnete noch Diskussionsbedarf zur Unternehmenshaftung sahen. Nun einigten sich die Fraktionen nach Angaben des CSU-Sozialpolitikers Stephan Stracke unter anderem darauf, zusätzliche zivilrechtliche Haftungsrisiken für die Unternehmen gesetzlich eindeutig auszuschließen. Außerdem sollen die geplanten Sorgfaltspflichten auch für große deutsche Niederlassungen ausländischer Unternehmen gelten. Die Änderungen machten noch einmal deutlich, dass von den Unternehmen nichts rechtlich und tatsächlich Unmögliches verlangt werden solle, erklärte Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe. Stracke betonte, das Gesetz müsse für die Wirtschaft auch umsetzbar sein.
Gesetz gilt zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern
Damit sich die Firmen auf die neuen Vorgaben einstellen können, soll das Gesetz vom 01.01.2023 an gelten, und zwar erst einmal nur für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern - von 2024 an dann auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Kleinere mittelständische Unternehmen sind nicht betroffen. Deutschland bekomme das stärkste Lieferkettengesetz in Europa, sagte SPD-Fraktionsvize Katja Mast. "Unternehmerische Verantwortung ist grenzenlos", betonte sie. Das Gesetz sei wichtig im Kampf gegen Kinder- und Sklavenarbeit. Jedes Ringen um Details habe sich gelohnt. "Auch auf den letzten parlamentarischen Metern sind uns noch wesentliche Verbesserungen gelungen." Heil betonte: "Ich bin froh, dass ich dieses wichtige Vorhaben nach harten Verhandlungen gegen massive Lobbywiderstände durchsetzen konnte."
Wirtschaftsverbände beklagen Überregulierung und Unkalkulierbarkeit
Die großen Wirtschaftsverbände reagierten verhalten. Das Gesetz sei "überregulierend und überflüssig", erklärte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Immerhin sollten sich wegen der Haftungsbegrenzung die negativen Auswirkungen aber in Grenzen halten. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) betonte, der Staat dürfe die Unternehmen bei der Auslegung der Pflichten nicht allein lassen. Außerdem seien die Sanktionen bei Verstößen unverhältnismäßig hoch. "Für Unternehmen entstehen unkalkulierbare Risiken", erklärte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Die Firmen könnten nicht für die Aktivitäten ihrer unabhängigen Geschäftspartner haftbar sein.
Greenpeace: Kein Gesetz gegen Umweltschäden
Die Gewerkschaft IG Metall dagegen forderte den Bundestag auf, das Gesetz umgehend zu verabschieden. "Das Thema der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten darf nicht in den Strudel des Wahlkampfs geraten", erklärte Vorstandsmitglied Wolfgang Lemb. Aus Sicht von Greenpeace kann das Gesetz allerdings Umweltschäden kaum verhindern. Die Zerstörung der Artenvielfalt und Schädigung des Klimas werde nicht bestraft. Da zivilrechtliche Haftung ausgeschlossen sei, werde das Gesetz nicht wirken.
Bundestagsbeschluss im Juni möglich
Der Bundestag kommt vor der Sommerpause im Juni noch zweimal zu regulären Sitzungswochen zusammen, in denen das Gesetz verabschiedet werden könnte. Dann folgen die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs und das Ende der Legislaturperiode.