Dre­cki­ge Luft: Noch keine Klage aus Brüs­sel gegen Deutsch­land

Im Dau­er­streit über die zu dre­cki­ge Luft in deut­schen Städ­ten zö­gert die Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on eine mög­li­che Klage noch etwas hin­aus. An­ders als an­ge­kün­digt kommt die Ent­schei­dung nicht mehr im April, son­dern frü­hes­tens im Mai 2018, wie die Deut­sche Pres­se-Agen­tur am 24.04.2018 aus der Brüs­se­ler Be­hör­de er­fuhr. Für die Bun­des­re­gie­rung be­deu­tet dies eine wei­te­re klei­ne Schon­frist, für Die­sel­be­sit­zer und Au­to­händ­ler aber vor allem Un­si­cher­heit.

Klage könn­te Tä­tig­wer­den be­schleu­ni­gen

Die EU-Kom­mis­si­on droht Deutsch­land und acht an­de­ren Län­dern seit Mo­na­ten mit Kla­gen vor dem Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof, weil sie die seit 2010 ver­bind­li­chen EU-Grenz­wer­te für Stick­oxi­de nicht ein­hal­ten. Vor dem EuGH könn­te die Brüs­se­ler Be­hör­de letzt­lich hohe Zwangs­gel­der gegen die be­trof­fe­nen Län­der er­strei­ten. Eine Klage würde den Druck er­hö­hen, rasch Ab­hil­fe zu schaf­fen. Dies ginge nach Ein­schät­zung von Ex­per­ten wohl nur mit Nach­rüs­tun­gen oder Fahr­ver­bo­ten für Die­sel, die für einen Gro­ß­teil der Stick­oxi­de ver­ant­wort­lich ge­macht wer­den.

Schon­frist immer wie­der ver­län­gert

Ob und wann die EU-Kom­mis­si­on damit ernst macht, ist nach einem un­durch­sich­ti­gen Hin und Her der ver­gan­ge­nen Mo­na­te al­ler­dings offen. Um­welt­kom­mis­sar Kar­me­nu Vella hatte Deutsch­land und acht wei­te­ren Län­dern schon Ende Ja­nu­ar 2018 eine letz­te Frist für zu­sätz­li­che Maß­nah­men ge­setzt, um die Luft­qua­li­tät rasch zu ver­bes­sern. Die Bun­des­re­gie­rung ver­wies da­mals auf ihr So­fort­pro­gramm "Sau­be­re Luft" und reich­te ei­ni­ge Vor­schlä­ge nach, dar­un­ter die Idee eines kos­ten­lo­sen Nah­ver­kehrs. Die da­ma­li­ge Um­welt­mi­nis­te­rin Bar­ba­ra Hend­ricks räum­te aber gleich­zei­tig ein, dass die EU-Vor­ga­ben in min­des­tens 20 deut­schen Städ­ten auf Jahre hin­aus nicht ein­zu­hal­ten sind.

Um­welt­kom­mis­sar: Sache wird nicht fal­len ge­las­sen

Erst sprach Vella von einer Frist von we­ni­gen Tagen, dann kün­dig­te er an, die nach­ge­reich­ten Vor­schlä­ge bis Mitte März 2018 unter die Lupe zu neh­men. Schlie­ß­lich sagte er Ende März 2018 vor Um­welt­po­li­ti­kern des Eu­ro­pa­par­la­ments, die Prü­fung sei ab­ge­schlos­sen und er könne be­reits sagen, dass er tat­säch­lich Klage gegen ei­ni­ge Län­der emp­feh­len werde, und zwar "im Rah­men des nächs­ten Pa­kets von Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren Ende April". Doch das ge­sam­te Paket wurde ver­scho­ben. Zur Be­grün­dung hieß es, die Ta­ges­ord­nung der Kom­mis­si­on sei in die­ser Woche schon so voll ge­we­sen. Die Ent­schei­dung über die Agen­da tref­fe im üb­ri­gen EU-Kom­mis­si­ons­prä­si­dent Jean-Clau­de Jun­cker. Vella sagte der dpa am Rande einer Kon­fe­renz in Brüs­sel am 23.04.2018 nur: "Wir wer­den die Sache nicht fal­len las­sen.“

Um­welt­ver­bän­de nicht er­freut

Um­welt­ver­bän­de re­agier­ten ent­täuscht, dass der Druck aus Brüs­sel zu­nächst nach­lässt. "Die EU-Kom­mis­si­on macht sich damit nicht glaub­wür­di­ger", sagte Ver­kehrs­ex­per­te Jens Hil­gen­berg vom Bund für Um­welt und Na­tur­schutz. Die von der Bun­des­re­gie­rung vor­ge­schla­ge­nen Maß­nah­men seien "nichts Hal­bes und nichts Gan­zes“. Für die Ge­sund­heit der Städ­ter sei eine Ver­bes­se­rung der Luft jetzt und nicht erst 2025 oder 2030 nötig. Und dies sei nur mit "mas­si­ven Maß­nah­men" mög­lich – näm­lich Die­sel-Nach­rüs­tun­gen oder Fahr­ver­bo­ten, sagte Hil­gen­berg. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hatte Fahr­ver­bo­te im Fe­bru­ar 2018 er­laubt, so­fern sie ver­hält­nis­mä­ßig sind (in DAR 2018, 219).

Die­sel-Kfz in­zwi­schen La­den­hü­ter

Die Aus­sicht, wo­mög­lich nicht mehr in die Stadt fah­ren zu kön­nen, ver­un­si­chert Au­to­käu­fer in­zwi­schen so, dass Die­sel­wa­gen zum La­den­hü­ter wer­den: 87% der Au­to­händ­ler kön­nen Die­sel-Ge­braucht­wa­gen nur noch mit hö­he­ren Ab­schlä­gen ver­kau­fen, 22% neh­men über­haupt keine Die­sel-Ge­braucht­wa­gen mehr in Zah­lung – das geht aus ak­tu­el­len Zah­len des Die­sel­ba­ro­me­ters der Deut­schen Au­to­mo­bil Treu­hand her­vor. Laut DAT-Ba­ro­me­ter ver­kauf­ten 58% der Händ­ler nach ei­ge­nen An­ga­ben we­ni­ger Die­sel-Neu­wa­gen an Ge­wer­be­kun­den. Bei den Pri­vat­kun­den sei die Ent­wick­lung noch dras­ti­scher: 86% der Händ­ler ver­kau­fen we­ni­ger ge­brauch­te und neue Die­sel-Pkw an End­ver­brau­cher.

CO2-Emis­sio­nen stei­gen wie­der

Der Trend weg vom Die­sel dürf­te die Luft in Städ­ten mit­tel­fris­tig ver­bes­sern, hat aber eine Kehr­sei­te für den Kli­ma­schutz, weil Ben­zi­ner bei glei­chem Ge­wicht in der Regel mehr ver­brau­chen und auch mehr Koh­len­di­oxid ver­ur­sa­chen. Tat­säch­lich stie­gen die CO2-Emis­sio­nen bei Neu­wa­gen in Eu­ro­pa 2017 erst­mals seit Jah­ren im Schnitt wie­der leicht, wie aus Zah­len der Eu­ro­päi­schen Um­welt­agen­tur EEA her­vor­geht. Die 2017 erst­mals zu­ge­las­se­nen Autos stie­ßen pro Ki­lo­me­ter 0,4 Gramm Koh­len­di­oxid mehr aus als die des Vor­jah­res. Der­zeit liegt der Durch­schnitts­wert damit bei 118,5 Gramm pro Ki­lo­me­ter. Nach den kli­ma­po­li­ti­schen Zie­len der EU sol­len die Au­to­bau­er den CO2-Aus­stoß ihrer Flot­ten bis 2021 auf 95 Gramm pro Ki­lo­me­ter re­du­zie­ren.

Redaktion beck-aktuell, Andreas Hoenig und Verena Schmitt-Roschmann, 25. April 2018 (dpa).

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