Dokumentation der Hauptverhandlung unter Experten umstritten

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung ist am Mittwoch in einer Anhörung im Rechtsausschuss auf geteiltes Echo gestoßen. Grundsätzliche Zustimmung kam aus der Anwaltschaft. Die geladenen Staatsanwälte äußerten Kritik. Sie sehen den Opferschutz in Gefahr.

Derzeit werden in Hauptverhandlungen vor den Landgerichten und den Oberlandesgerichten nur die wesentlichen Förmlichkeiten festgehalten. Zen­tra­ler Be­stand­teil der geplanten Neu­re­ge­lung ist neben der Auf­zeich­nung der Haupt­ver­hand­lung auch die au­to­ma­ti­sier­te Über­tra­gung der Tonauf­zeich­nung in ein Text­do­ku­ment.

Die Anwaltschaft erwartet aufgrund der geplanten audiovisuellen Aufzeichnung der Hauptverhandlung weniger Missverständnisse und Fehlurteile. Sie verspricht sich mehr Transparenz und eine leichtere Urteilsfindung.

Auch ein Richter zeigte sich aufgeschlossen. Allerdings werde es zu einer vorübergehenden Mehrbelastung der Strafjustiz kommen, die kompensiert werden müsste. Dann werde die Neuregelung auch bei der Richterschaft auf Akzeptanz stoßen.

Richter- und Staatsanwaltschaft sehen mehr Nachteile

Mehr Nach- als Vorteile sieht der Rest der angehörten Richterschaft: Von einer "Vielzahl von technischen, personellen und verfahrensspezifischen Problemen ohne substantiellen Mehrwert für das Strafverfahren" war die Rede. Auch fürchten die Richter eine höhere Arbeitsbelastung.

Von Seiten der Staatsanwaltschaft wurden Missbrauchsrisiken und eine Schwächung des Opferschutzes gegen die geplanten neuen Dokumentationsregeln vorgebracht. Eine audiovisuelle Aufzeichnung greife besonders tief in Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten ein. Gerade für Opfer sexualisierter Gewalt werde die Vernehmung noch belastender werden, als sie es jetzt schon ist. Opferzeugen und -zeuginnen zu einer Aussage zu ermutigen, könne noch schwerer werden.

Redaktion beck-aktuell, bw, 13. Oktober 2023.