Erste Verbandsklage nach Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) hat gestern vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen die Humboldt-Universität zu Berlin (HU) eine Verbandsklage nach dem neuen Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) erhoben. Die GFF wirft der Universität vor, trans, inter und nicht-binäre Studierende zu diskriminieren, indem sie diesen weiterhin verweigert, einen ihrem Geschlecht entsprechenden Identitätsnamen auf studentischen Unterlagen wie der Campus-Card zu führen. Die erzwungene Nutzung des früheren, inzwischen abgelegten Namens (Deadname) sei für die Betroffenen diskriminierend und verletze ihre Grundrechte, so die GFF.

Wichtiger Schritt im Kampf gegen strukturelle Diskriminierung

Die GFF hatte im Februar ihre Beanstandung eingereicht. "Die erste Verbandsklage nach dem Landesantidiskriminierungsgesetz ist beim Kampf gegen Diskriminierung ein wichtiger Schritt. Endlich können wir gegen strukturelle Diskriminierung durch öffentliche Stellen gerichtlich vorgehen, ohne dass sich Einzelpersonen exponieren und Prozessrisiken aussetzen müssen“" sagt Soraia Da Costa Batista, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF.

Streit um Nutzung von Identitätsnamen

Konkret geht es laut GFF darum, den Identitätsnamen nicht nur auf universitären Lehr- und Lernplattformen und in Videokonferenzen verwenden zu dürfen, sondern auch auf der Immatrikulationsbescheinigung und der Campus-Card. Dieser Ausweis wird unter anderem zum Bezahlen in der Mensa, als Bibliotheksausweis und als Ticket im öffentlichen Nahverkehr genutzt. Nur die Verwendung des selbstgewählten Namens könne im Alltag verhindern, dass Betroffene gegen ihren Willen als trans, inter oder nicht-binär geoutet oder mit ihrem abgelegten Namen angesprochen werden, so die GFF. Auch Jenny Wilken von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) e.V. hält Deadnaming von trans, inter und nicht-binären Personen für problematisch. Es spreche ihnen ihre geschlechtliche Identität ab und sei zutiefst verletzend und diskriminierend. Das Führen von Identitätsnamen müsse deshalb so umfassend und niedrigschwellig wie möglich gewährleistet werden, sagt Wilken.

Führen von Identitätsnamen auch ohne amtliche Namensänderung gefordert

Es geht nach Ansicht der GFF auch anders. Sie verweist auf andere Berliner Universitäten wie etwa die Freie Universität und die Technische Universität, die bereits Campus-Cards auf den richtigen Namen ausstellen. Auch in vielen anderen Lebensbereichen könnten trans, inter und nicht-binäre Menschen ihren Identitätsnamen nutzen, zum Beispiel auf der Bankkarte, beim Onlineshopping, im Mietvertrag und im Arbeitsvertrag. Eine amtliche Namensänderung ist laut GFF derzeit nur nach dem Transsexuellen- oder Personenstandsgesetz möglich. Das zu großen Teilen verfassungswidrige TSG setze hierfür unzumutbare Voraussetzungen fest: mehrjährige Wartezeiten, hohe Kosten und aufwändige, oft demütigende Sachverständigengutachten. Das einfachere und kostengünstigere Verfahren nach dem PStG stehe nur intergeschlechtlichen Menschen offen. Es gebe einen grundrechtlichen Anspruch, in dem richtigen Geschlecht respektiert und adressiert zu werden, sagt Rechtsanwältin Jessica Heun, die das Verfahren betreut. Deshalb müsse die Universität das Führen von Identitätsnamen in gewissen Grenzen auch unabhängig von einer amtlichen Änderung des Vornamens- und Geschlechtseintrags ermöglichen.

Gitta Kharraz, Redaktion beck-aktuell, 1. Juni 2022.