"Digitalen Hausfriedensbruch“ konsequent sanktionieren
So müsse digitaler Hausfriedensbruch konsequent sanktioniert werden, fordern die Ministerinnen und Minister. Kriminelle oder Cyberterroristen griffen mittels Schadsoftware heimlich auf Tausende von Rechnern und Mobiltelefonen zu und nutzten die kombinierte Rechnerleistung für Cyberattacken. Die ahnungslosen User an den Computern merkten allenfalls, dass ihre Systeme etwas langsamer laufen als normal. Die zu Bot-Netzen verbundenen Computersysteme arbeiteten koordiniert gegen Firewalls, versendeten Massen-E-Mails und Tweets oder legten durch DDos-Angriffe ganze Systeme lahm. Der Bundesrat habe auf Initiative der Länder bereits am 23.09.2016 den Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes "Strafbarkeit der unbefugten Benutzung informationstechnischer Systeme ‒ Digitaler Hausfriedensbruch" beim Deutschen Bundestag eingebracht (BR-Drs. 338/16). Allerdings habe der Bundesjustizminister diese Problematik noch nicht aufgegriffen.
Auskunftsverlangen gegenüber Postdienstleistern klar regeln
Weiter bedürfe es einer klaren gesetzlichen Regelung, die es den Strafverfolgungsbehörden ermöglicht, von Postdienstleistern Auskünfte auch über noch nicht ein- sowie bereits ausgelieferte Sendungen zu verlangen. Der – nicht selten anonyme und mittels Krypto-Währungen abgewickelte – Handel mit illegalen Waren wie Betäubungsmitteln, Falschgeld oder Waffen über das Darknet habe erheblich zugenommen, erläutern die Justizministerinnen und -minister. Erfolgsversprechende Ermittlungsansätze zur Identifizierung von Tatverdächtigen ergäben sich insbesondere bei der Aufgabe und Annahme entsprechender Sendungen.
Beleidigungen im Internet wirksam sanktionieren
Beleidigungen, die im Internet begangen werden und die wegen ihrer permanenten Verfügbarkeit und der Schwierigkeit, sie wieder zu beseitigen, die Opfer viel härter und nachhaltiger treffen als in der "realen Welt", müssten konsequent sanktioniert werden, heißt es in der "Kasseler Erklärung" weiter. Dies bedeute für bestimmte Fälle auch eine Überprüfung der Strafrahmen für Beleidigungsdelikte im Internet.
Reichweite des Telekommunikationsrechts für Whattsapp & Co. klären
Um Rechtssicherheit für Provider und Nutzer herzustellen, fordern die Justizministerinnen und -minister eine Diskussion dazu, welche Sicherheitsstandards des bereichsspezifischen Telekommunikationsrechts zukünftig auf welche OTT-Kommunikationsdienste übertragen werden müssen. Over-the-Top (OTT)-Kommunikationsdienste wie WhatsApp, Skype, Facebook & Co. erfreuten sich wachsenden Zuspruchs. Dabei verwischten die Grenzen zu den klassischen Telekommunikationsdienstleistungen. Das Verwaltungsgericht Köln habe bereits entschieden, dass der E-Mail-Dienst Google Mail einen öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienst darstellt, dessen Aufnahme der Bundesnetzagentur zu melden ist (MMR 2016, 141).
Sicherung von Cloud-Daten verbessern
Die Durchsuchung sowie die Beschlagnahme seien als "offene‟ Ermittlungsmaßnahmen ausgestaltet, sodass der Beschuldigte zeitnah hiervon in Kenntnis zu setzen ist. Solle eine mögliche Datenveränderung oder ein drohender Datenverlust verhindert werden, zwinge dies derzeit dazu, ein verdeckt geführtes Verfahren offenzulegen. Dies beeinträchtigte nicht nur größere Strukturermittlungen, sondern auch kleinere Ermittlungsverfahren, nachdem im Zeitalter des Smartphones die Datenauslagerung alltäglich geworden ist. Zu begrüßen seien deshalb auch die Überlegungen der Cloud-Evidence-Group des Europarates, die Zusammenarbeit mit Dienstanbietern zur Sicherung von Beweismitteln zu stärken.
Private Unternehmen im Schadensfall zur Kooperation ermutigen
Unternehmen, die Kommunikationsdienstleistungen im Internet anbieten, sollten nach Ansicht der Ministerinnen und Minister ermutigt werden, beim Erkennen strafrechtlich relevanter Inhalte (zum Beispiel Kinderpornografie, Anschlagsplanung, Cyberattacken, Geldwäsche) intensiver mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Die Länder verfügten inzwischen über hochprofessionelle Zentralstellen und spezielle Ermittlungseinheiten, die auch bei sensiblen Anfragen schnell und kompetent die notwendigen Maßnahmen treffen können.
Sympathiewerbung für Terrorismus unter Strafe stellen
In der "Kasseler Erklärung" wird außerdem gefordert, die 2002 abgeschaffte Strafbarkeit der Sympathiewerbung für Terrororganisationen so schnell wie möglich wieder einzuführen. Längst sei bekannt, dass Gruppen wie der sogenannte Islamische Staat mit aufwendig produzierten Videos bei Twitter, YouTube oder Facebook versuchten, junge Menschen für ihre Ideologie zu gewinnen. Im Jahr 2016 habe der Nachrichtendienst Twitter bekannt gegeben, im Jahr 2015 circa 125.000 Nutzer im Zusammenhang mit IS-Inhalten gesperrt zu haben. Je früher in diesem Bereich die Strafbarkeit greift, desto besser könnten die Strafverfolgungsbehörden Strukturen aufdecken und zerschlagen, meinen die Ministerinnen und Minister.
Ökonomischen Dschihad austrocknen
Die Mechanismen der Terrorfinanzierung und der organisierten Kriminalität ähnelten sich, heißt es in der Erklärung weiter. In beiden Fällen gehe es um großflächige "Legalisierung“ von Finanzmitteln aus illegalen Quellen. Das Geld könne dabei aus Erpressungen von kleinen Unternehmern auch in Deutschland, illegalem Waffenhandel oder auch dem Verkauf von Öl durch den IS stammen. Zur Bekämpfung dieser Taten müsse das Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen, das am 26.06.2017 in Kraft getreten ist, zügig mit Leben gefüllt werden. Insbesondere sei auf eine ausreichende personelle und sachliche Ausstattung der neuen Zentralstelle zu achten und deren vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Spezialeinheiten der Länder sicherzustellen.
Betrieb krimineller Cyberstrukturen konsequent unterbinden
Nach Meinung der Justizministerinnen und -minister sollte untersucht werden, ob bereits der Betrieb krimineller Cyberinfrastrukturen pönalisiert werden kann, damit auch in diesem Punkt das Strafrecht den Strukturen der digitalen Welt gerecht wird. Der Betrieb von Underground-Economy-Verkaufsplattformen, über die in zunehmendem Ausmaß inkriminierte Waren und Dienstleistungen jeglicher Art gehandelt werden, könne nach derzeitiger Gesetzeslage zwar als Beihilfe strafbar sein, setze aber im Einzelfall den Nachweis einer strafbaren Haupttat voraus.
Internationale Zusammenarbeit stärken
Schließlich gelte es, die internationale Zusammenarbeit zu stärken. Die Grenzenlosigkeit des Internets begünstige Straftäter und Terroristen, da viele Instrumente der internationalen Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden sehr schwerfällig und den Notwendigkeiten des Internetzeitalters noch nicht angepasst sind. Hier sei es sowohl auf europäischer Ebene (Eurojust, Europol) notwendig, enger zusammenzuarbeiten, als auch die Kooperation zwischen internationalen, europäischen und nationalen Behörden zu stärken, um in Fällen mit Auslandsberührung künftig effektiver handeln zu können.