Dieselklagen-Flut: Künstliche Intelligenz soll Richter am OLG Stuttgart entlasten

Die vier Dieselsenate des Oberlandesgerichts Stuttgart sollen künftig durch künstliche Intelligenz (KI) entlastet werden. Über 13.000 Dieselverfahren sind allein am OLG Stuttgart in der Berufung anhängig. Monatlich waren zuletzt rund 600 Eingänge zu verzeichnen. Das sei ohne technische Hilfe kaum mehr zu bewältigen, hieß es aus dem baden-württembergischen Justizministerium.

KI-System soll Schriftsätze gruppieren

"Nach Erprobung des Prototyps wird das System jetzt bei den vier Dieselsenaten des Oberlandesgerichts Stuttgart eingeführt", sagte die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Montag). Die KI soll vor allem die Fälle aus den Schriftsätzen herausfiltern, die gleich gelagert sind. Kläger sind Besitzer von Dieselfahrzeugen, bei denen die Firmen unzulässige Abschalteinrichtungen in die Abgasreinigung eingebaut haben sollen.

Systematisierung der Akten nach wiederkehrenden Merkmalen

Diese Fälle lassen sich laut baden-württembergischen Justizministerium anhand bestimmter Merkmale Fallgruppen zuordnen. Die entscheidenden Eckdaten aus den oft mehr als hundert Seiten umfassenden Schriftsätzen zu extrahieren und so die jeweils gleichgelagerten Fälle aus dem vorliegenden Aktenbestand zu selektieren, sei manuell jedoch nur mit größtem Aufwand möglich. An dieser Stelle komme das KI-System zum Einsatz, so Gentges. "Das KI-System analysiert die elektronischen Verfahrensakten und ordnet solche mit gleichgelagerten Sachverhalten einander zu. Die Systematisierung nach immer wiederkehrenden Merkmalen ist eine schematische Tätigkeit, für die wir nicht die Energie der Richterinnen und Richter verschwenden dürfen. Deren Fokus muss darauf liegen, die Kategorisierungen zu überprüfen und dann sorgfältige Entscheidungen zu treffen. Wir brauchen diese Arbeitsteilung: Das KI-System im Bereich der Assistenz – und nur hier – die Richterinnen und Richter bei der inhaltlichen Bearbeitung, Überprüfung und Entscheidung".

Wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zur digitalen Justiz

Perspektivisch sei eine Ausweitung des Projekts auf weitere mit der Aufarbeitung der Dieselthematik befassten Gerichte möglich, so die Justizministerin weiter. Das Projekt könne für künftige Massenverfahren eine Blaupause zur frühzeitigen und gelungenen digitalen Bewältigung darstellen und so einen wesentlichen Meilenstein auf dem Weg zur digitalen Justiz bilden. Dabei treibe Baden-Württemberg den Einsatz dieser Zukunftstechnologie bundesweit federführend als Vorsitzland des zuständigen Themenkreises der Bund-Länder-Kommission für Informationstechnik in der Justiz voran. KI-Anwendungen sollten einmal entwickelt und in der Justiz in ganz Deutschland eingesetzt werden können.

Redaktion beck-aktuell, 24. Oktober 2022 (ergänzt durch Material der dpa).