Diesel-Skandal: Prozessbeginn im Musterfeststellungsverfahren gegen VW am 30.09.2019

Hunderttausende Dieselfahrer warten auf diesen Tag: Am 30.09.2019 wird die Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen erstmals vor Gericht verhandelt. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen will VW das Fürchten lehren, fast 440.000 Autobesitzer haben sich in der Hoffnung auf Schadenersatz angeschlossen. Doch selbst die Anwälte, die die Verbraucherschützer vor Gericht vertreten, raten einigen, wieder auszusteigen. Alternative Wege könnten schneller zu Geld führen.

Dieselfahrer hoffen auf Schadenersatz

Bei Einführung der Musterfeststellungsklage vor nicht einmal einem Jahr hatte man den Fall VW schon im Hinterkopf. Letztlich hoffen die Dieselfahrer auf Schadenersatz - doch den wird es nicht direkt geben. Bei dem Verfahren geht es erstmal nur darum, ob Volkswagen unrechtmäßig gehandelt hat. Den Kunden wird kein individueller Anspruch auf Geld oder eine Rückabwicklung des Kaufvertrags zugesprochen. Stattdessen müssen sie mit dem Musterurteil in der Tasche selbst noch einmal vor Gericht ziehen.

VW: Kunden haben keinen Schaden erlitten

Grundsätzlich wäre auch ein Vergleich zwischen VW und der Verbraucherzentrale möglich. VW hält diese Möglichkeit wegen der hohen Zahl der Mitkläger und ihrer unterschiedlichen Fallkonstellationen jedoch für “kaum vorstellbar“. Die Anwälte der Kläger sind sehr zuversichtlich, Volkswagen dagegen sieht wenig Aussichten. Die Autos seien trotz “Umschaltlogik“ - also der im Dieselskandal aufgeflogenen Abschalteinrichtung der Abgasreinigung - technisch sicher und würden im Verkehr genutzt, argumentiert das Unternehmen. “Aus unserer Sicht haben die Kunden keinen Schaden erlitten“, sagt VW.

Musterentscheidung für Folgeprozesse bindend

Das Prozesskostenrisiko der Musterfeststellungsklage trägt allein der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Wenn er verliert, sind allerdings alle, die im Klageregister stehen, an diese Entscheidung gebunden. Sie können nicht mehr vor anderen Gerichten klagen. Bis die Dieselfahrer wissen, ob sie Schadenersatz bekommen oder nicht, wird es Jahre dauern. VW rechnet damit, dass sich schon die erste Runde vor dem Oberlandesgericht Braunschweig zwei Jahre hinzieht. Weitere zwei Jahre kämen vor dem Bundesgerichtshof dazu, weil beide Seiten in Berufung gehen würden.

Lange Verfahrenszeit Problem für die Verbraucher

Ein rechtskräftiges Urteil gäbe es kaum vor 2023 - dann müssen die Verbraucher noch selbst vor Gericht ziehen. Die lange Verfahrenszeit ist auch ein Problem, weil vom Schadenersatz noch ein Nutzungsersatz für die gefahrenen Kilometer abgezogen werden könnte. Die meisten betroffenen Fahrzeuge, sagt zumindest VW, dürften 2024 nur noch einen geringen Restwert haben.

Verbraucherschützer raten rechtsschutzversicherten Dieselfahrern zu einzelnen Klagen

Die Verbraucherschützer und ihre Anwälte raten Dieselfahrern mit Rechtsschutzversicherung, einzeln zu klagen und sich von der Musterfeststellungsklage abzumelden. Denn mit Versicherung trägt man kein Risiko - kann aber selbst bestimmen, ob man einen Vergleich annimmt oder nicht. Und Vergleiche gab es in den Diesel-Prozessen bisher durchaus. Eine weitere Möglichkeit ist eine Klage mit Prozessfinanzierer, also jemandem, der gegen Provision das finanzielle Risiko übernimmt. Er trifft dann aber auch alle taktischen Entscheidungen im Prozess.

Redaktion beck-aktuell, Theresa Münch, 17. September 2019 (dpa).

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