VW zwischen Diesel-Skandal und Rekordumsätzen

Trotz “Dieselgate“ und drohenden Fahrverboten sprudelt bei Volkswagen das Geld nur so in die Kasse. Die Rekordzahlen 2017 lassen beinahe vergessen, dass der Abgasskandal mit Millionen manipulierter Dieselmotoren VW noch lange beschäftigen wird: Viele VW-Kunden mit einem “Schummel-Diesel“ klagen gegen Händler oder den Hersteller. Aktionäre werfen dem Konzern vor, die Märkte zu spät über das Dieseldrama informiert zu haben. VW-Managern drohen strafrechtliche Konsequenzen. Ein Überblick über die rechtlichen Verstrickungen des Konzerns.

Zahlreiche Autobesitzer verlangen Entschädigung

Allein für Vergleiche in Nordamerika hat VW über 25 Milliarden Euro verbucht. Aber auch in Deutschland wollen zahlreiche Autobesitzer, die einen manipulierten Diesel der VW-Gruppe fahren, eine Entschädigung. Die US-Kanzlei Hausfeld, die VW-Kunden in dem Skandal vertritt, forderte den Autobauer auf, in Deutschland zugelassene Diesel mit Betrugs-Software zurückzunehmen. Nach Angaben aus mit den Vorgängen vertrauten Kreisen liegen bislang etwa 2.500 Urteile vor, davon endeten rund 70% mit einer Klageabweisung - ein gleichbleibendes Bild, wie es heißt. Auf der Ebene der Oberlandesgerichte gebe es bisher acht Urteile, alle im Sinne des Unternehmens. Ein Urteil des Oberlandesgerichts Dresden ergab Anfang März: “Ohne Erfolg behauptet der Kläger, dass das Aufspielen des Software-Updates nicht geeignet sei, den Mangel vollständig zu beseitigen.“

US-Kanzlei Hausfeld im Kontakt mit über 40.000 geschädigten VW-Kunden in Deutschland

In geringer Zahl habe Volkswagen Urteile, die die Rücknahme des betreffenden Wagens verlangten, akzeptiert, heißt es in den Kreisen. In diesen Fällen habe den Händlern wegen des Alters der Autos kein wirtschaftlicher Nachteil gedroht. Insgesamt sind nach Angaben aus Kreisen etwa 15.000 Kundenklagen anhängig - bei insgesamt etwa 2,25 Millionen Autos mit Schummel-Software in Deutschland. Weltweit geht es in dem im September 2015 in den USA aufgeflogenen Abgasskandal um rund 11 Millionen Autos. Allerdings gehen die Angaben zur Gesamtzahl der Fälle deutlich auseinander: Über die Internet-Plattform “myright.de“ hätten sich 50.000 geschädigte VW-Kunden registriert, 40.000 davon aus Deutschland, sagt Christopher Rother, Anwalt der US-Kanzlei Hausfeld.

Klagen der Autokäufer auf Lieferung eines Neuwagens überwiegend erfolglos

Entscheidend für die Argumentation der Anwälte ist die Frage, ob die von VW ausgestellte Bescheinigung zum Übereinstimmen mit der Typgenehmigung des Kraftfahrt-Bundesamts korrekt ist. Diese Angaben seien falsch, der Einbau von Abschalteinrichtungen sei nicht gestattet, sagt Rother. Allerdings entschieden Verwaltungsgerichte in Düsseldorf und Schleswig jüngst, dass die Übereinstimmungsbescheinigungen wirksam seien. Erst kürzlich urteilte das Landgericht Hamburg, ein VW-Händler müsse ein Fahrzeug mit Schummel-Software zurücknehmen und dem Kunden einen einwandfreien Neuwagen, in diesem Fall einen Tiguan, geben. Nach Angaben aus informierten Kreisen hatten Landgerichte bereits in rund 150 vergleichbaren Verfahren zum Tiguan entschieden, davon seien 136 Klagen abgewiesen worden. Das Oberlandesgericht München entschied Ende Februar - wie auch das OLG Bamberg -, dass ein Kläger nach einem Modellwechsel keinen Anspruch auf eine Neulieferung habe.

Aktionäre ziehen wegen erlittener Kursverluste vor Gericht

Nach Rothers Einschätzung versucht Volkswagen Vergleiche abzuschließen, sobald die obergerichtliche Instanz erreicht ist. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erwartet er für Ende 2019 oder Anfang 2020. Aus Sicht der VW-Kreise ist dies spekulativ - derzeit lägen zwei Verfahren im Stadium der Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH. Der Abgasskandal hat nicht nur Volkswagen, sondern auch die Aktionäre viel Geld gekostet. Denn unmittelbar nach Aufdeckung des Abgasbetrugs durch die US-Behörden im September 2015 brach der Kurs der VW-Aktie ein - zeitweise verloren die Vorzugspapiere fast die Hälfte ihres Werts. Anleger erlitten zwischenzeitlich erhebliche Verluste. Investoren wie die Sparkassentochter Deka, die als Musterklägerin gegen VW auftritt, verlangen Schadenersatz. Der Vorwurf: VW habe die Märkte zu spät über das Dieseldrama informiert.

Klägeranwalt: VW hat Aktionäre zu spät über Diesel-Gate informiert

Laut Gesetz müssen Nachrichten, die den Firmenwert beeinflussen können, umgehend veröffentlicht werden. Dies habe Volkswagen versäumt, erklärt Klägeranwalt Andreas Tilp. Er betont, es komme nicht nur darauf an, was der Vorstand wisse. In der Klageerwiderung von Volkswagen heißt es, die Ad-hoc-Pflicht setze “ein erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial der betreffenden Information voraus“. Diese Kursrelevanz habe gefehlt, sagen mit der Sache vertraute Personen. Daher sei auch keine frühere Mitteilung an die Finanzwelt nötig gewesen.  Im Musterverfahren am Oberlandesgericht Braunschweig geht es um Schadenersatzansprüche von 3,1 Milliarden Euro, rund 1.600 Klagen wurden bisher am Landgericht Braunschweig ausgesetzt. Insgesamt belaufen sich die Forderungen der 1.650 eingereichten Klagen überwiegend institutioneller Anleger auf mehr als neun Milliarden Euro. Die erste Anhörung beginnt am 03.09.2018.

Volkswagen-Manager drohen auch strafrechtliche Konsequenzen

Damit nicht genug - es laufen auch Ermittlungsverfahren gegen Volkswagen-Mitarbeiter, darunter frühere oder aktuelle Manager. Ermittelt wird gegen 49 mutmaßlich Beteiligte - gegen 39 wegen der Software-Manipulation rund um den Stickstoffdioxidausstoß, gegen 6 im Zusammenhang mit falschen CO2- und Verbrauchsangaben. In drei Fällen geht es um Marktmanipulation. Hinzu kommen Ermittlungen gegen einen Mitarbeiter, der zum Löschen von Daten aufgerufen haben soll. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt außerdem gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Marktmanipulation im Zusammenhang mit dem Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid.

Redaktion beck-aktuell, Thomas Strünkelnberg, 27. März 2018 (dpa).

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