Besetzung von Richterstellen: Ministerien und Richterschaft im Clinch
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© Soeren Stache / dpa

Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) wollte einen Richter ohne Zustimmung des Richterwahlausschusses an ein anderes Gericht versetzen - und kassierte hierfür vom Dienstgericht Cottbus eine klare Absage. Auch in anderen Bundesländern sorgten Personalentscheidungen im vergangenen Jahr für Konfliktpotential. Dabei ging es sowohl um die Richterwahl als auch um die Frage, wann ein Richter vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden darf.

Ministerin versetzt Richter ohne Zustimmung des Richterwahlausschusses

Im Jahr 2021 wurde in Brandenburg die Arbeitsgerichtsbarkeit neu strukturiert. In diesem Zusammenhang wurde das ArbG Eberswalde zum 31.12.2022 aufgelöst. Einen dort tätigen Richter wollte die Justizministerin an das ArbG Neuruppin versetzen. Für eine derartige Versetzung ist nach § 11 Abs. 1 des Richtergesetzes des Landes Brandenburg (BbgRiG) die Zustimmung des beim Landtag eingerichteten Richterwahlausschusses erforderlich. Entsprechend schlug die Ministerin dem Richterwahlausschuss die geplante Versetzung vor, erhielt hierfür aber keine Mehrheit. Auf den Alternativvorschlag einer Versetzung an das näher gelegene ArbG Frankfurt (Oder) ging die Ministerin nicht ein. Stattdessen wies sie den Richter im September 2022 ohne weitere Beteiligung des Richterwahlausschusses dem ArbG Neuruppin zu. Hiergegen stellte dieser Antrag auf Eilrechtsschutz beim Dienstgericht beim Landgericht Cottbus - mit Erfolg.

Ministerielle Versetzungsentscheidung "offensichtlich rechtswidrig"

Das Dienstgericht verwies zum einen auf den eindeutigen Wortlaut von § 11 Abs. 1 BbgRiG, nach dem über eine Versetzung das zuständige Mitglied der Landesregierung gemeinsam mit dem Richterwahlausschuss entscheidet, und zum anderen auf eine Entscheidung des Dienstgerichtshofs des Landes Brandenburg aus dem Jahr 2013, in welcher dieser die Voraussetzungen für eine Versetzung unmissverständlich klargestellt habe. Die Argumentation der Justizministerin, § 11 Abs. 1 BbgRiG sei verfassungswidrig und daher von ihr nicht anzuwenden, wies das Gericht zurück: Der Ministerin stehe insoweit der Weg der abstrakten Normenkontrolle offen oder sie könne dem Landtag eine entsprechende Änderung des Gesetzes vorschlagen. Es gehe hingegen nicht an, dass wann immer das Land seine eigenen Gesetze für verfassungswidrig hält, es diese einfach nicht anwendet.

Land muss mit den Folgen der Einsetzung eines Richterwahlausschusses leben

§ 11 Abs. 1 BbgRiG stehe auch nicht im Widerspruch zu Art. 98 Abs. 4 GG, wonach Ministerium und Ausschuss (nur) über die Anstellung von Richtern gemeinsam entscheiden, nicht aber über die Versetzung. Sehe ein Land einen Richterwahlausschuss vor, beschwöre es automatisch die Gefahr von Konflikten herauf. Dies sei die logische und gewollte Folge, wenn zwei anstatt einer Institution beteiligt seien. Wenn das Land also den Vorteil der einheitlichen und schnelleren Entscheidungsfindung dem Vorteil der höheren Legitimation und demokratischen Teilhabe opfere, habe es mit den Folgen zu leben. Der Ausschuss wäre schließlich überflüssig, wenn er stets der Auffassung des Ministeriums folgen müsste. Letztlich müsse ein Kompromiss gefunden werden. Komme ein solcher nicht zustande, obliege es dem politischen Prozess zu bestimmen, wer hierfür die Verantwortung trägt.

Baden-Württemberg: Ministerien und Richterschaft im Clinch

Der Clinch in der Brandenburger Justiz ist kein Einzelfall. Auch in Baden-Württemberg ist im vergangenen Jahr ein Streit zwischen Justizministerium und Richterschaft wegen einer Personalentscheidung eskaliert. Dort schlägt das Landesjustizministerium eine Kandidatin oder einen Kandidaten vor, die beziehungsweise der vom Präsidialrat für gewöhnlich durchgewunken wird. Bei der Suche nach einer Nachfolge für die Präsidentin des OLG Stuttgart, Cornelia Horz, kam es anders: Für die Stelle gab es zwei Bewerber. Jus­tiz­mi­nis­te­rin Ma­ri­on Gent­ges (CDU) schlug die eine Kandidatin vor, der Präsidialrat den anderen. Normalerweise hätte daraufhin der Richterwahlausschuss entscheiden müssen. Das Ministerium beantragte jedoch beim VG Stuttgart eine einstweilige Verfügung gegen den Präsidialrat. Es ist der Auffassung, der Präsidialrat habe mit dem Gegenvorschlag seine Kompetenzen überschritten.

Streit um Kompetenzen des Präsidialrats

Die Richterschaft zeigte sich über das Vorgehen des Ministeriums empört und verwies auf den Wortlaut von § 43 Abs. 4 des Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes (LRiStAG), nach dem das Gremium ausdrücklich einen Gegenvorschlag machen darf, der sich "im Rahmen der Bewerbungen" hält. Demgegenüber argumentierte das Ministerium mit dem Willen des Gesetzgebers: Der Präsidialrat habe kein Auswahlermessen, sondern sei auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt. Er dürfe also nur dann einen Gegenvorschlag machen, wenn er die Entscheidung der Ministerin für rechtswidrig hält. Das VG Stuttgart erklärte den Antrag der Ministerin für unzulässig und verzichtete auf eine Entscheidung in der Sache. Die Ministerin hätte im Konfliktfall den Richterwahlausschuss einberufen müssen.

Vorhang zu und alle Fragen offen?

Die streitige Rechtsfrage wurde mit der Entscheidung des VG zwar nicht geklärt. Ein Gewinner geht aus dem Konflikt dennoch hervor: der Präsidialrat. Er kann im Falle der fehlenden Einigung die Einberufung des Richterwahlausschusses erzwingen, in dem die Richterschaft die Mehrheit hat. Professor Fabian Wittreck von der Universität Münster, der für den 73. Deutschen Juristentag ein Gutachten zur Unabhängigkeit der Justiz bei der Besetzung von Richterpositionen erstellt hat, hält das Baden-Württembergische Modell aufgrund eben dieser Zusammensetzung des Richterwahlausschusses für verfassungswidrig. Die Richterschaft sei anders als das Ministerium nämlich nicht demokratisch legitimiert. In Baden-Württemberg dürfte das letzte Wort zur Richterwahl noch nicht gesprochen sein. Das OLG Stuttgart bleibt jedenfalls bis auf Weiteres führungslos.

Ruhestand für rechtsextreme Richterinnen und Richter

Für Aufmerksamkeit sorgte im vergangenen Jahr auch der Umgang mit rechtsextremen Richterinnen und Richtern. So gab das Leip­zi­ger Dienst­ge­richt einem An­trag des Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums auf Versetzung des als rechts­ex­trem ein­ge­stuf­ten frü­he­ren AfD-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten und Rich­ters Jens Maier in den vorzeitigen Ruhestand im Dezember 2022 statt. Sachsens Jus­tiz­mi­nis­te­rin Katja Meier (Grüne) sprach von einem bundesweit richtungsweisenden Urteil. Generell sind Verfahren gegen Richterinnen und Richter noch extrem selten und gelten als juristisches Neuland. Noch nicht entschieden ist der Streit um die frühere AfD-Frau und Reichsbürger-Richterin Bir­git Mal­sack-Win­ke­mann. Das VG Berlin hatte es im Oktober 2022 abgelehnt, Malsack-Winkemann wegen ihrer politischen Reden über Flüchtlinge im Bundestag und weiterer Äußerungen in den Ruhestand zu versetzen. Die Bundestagsreden seien laut Grundgesetz geschützt und dürften zu keinen dienstlichen Sanktionen führen, so die Begründung. Unmittelbar nach der Verhaftung Mal­sack-Win­ke­manns im Dezember 2022 legte Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) gegen die VG-Entscheidung Berufung beim Dienstgerichtshof am OVG Berlin-Brandenburg ein. "Eine Richterin, der es an Verfassungstreue mangelt, kann kein Recht sprechen", so Kreck. Gegen beide ehemaligen AfD-Poliker laufen parallel Disziplinarverfahren, in dem es auch um die Frage gehen soll, ob sie ihre Dienstbezüge verlieren.

DienstG Cottbus, Beschluss vom 23.12.2022 - DG 7/22

Redaktion beck-aktuell, Miriam Montag, 9. Januar 2023.