Der djb kritisiert insbesondere, dass der Entwurf der Bundesregierung einseitig die Rechte von leiblichen Vätern stärke – zu Lasten der rechtlichen und sozialen Familie des Kindes. Wie Ursula Matthiessen-Kreuder, Präsidentin des djb, betont, verschärft der Entwurf bestehende rechtliche Unsicherheiten für Kinder und Familien, statt diese zu beseitigen. Der Entwurf berücksichtige die Interessen des Kindes, der Mutter sowie des rechtlichen und sozialen Vaters nicht ausreichend. Er enthalte zudem keine Schutzmechanismen bei Gewalt-, Zwangs- oder Abhängigkeitsverhältnissen insbesondere zwischen dem leiblichen Vater und der Mutter.
Besonders kritisch sieht der djb die fehlende Klarstellung, dass Samenspender nicht in den Schutzbereich des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG fallen und ihnen daher kein Anfechtungsrecht zusteht. Auch die Umsetzung der vom BVerfG geforderten "zweiten Chance" für Anfechtungsberechtigte gehe zu weit und gefährde die Statussicherheit rechtlicher Eltern-Kind-Beziehungen. Es bestehe die Gefahr langwieriger "Kettenverfahren", die das Kindeswohl erheblich beeinträchtigen könnten.
Prof. Dr. Anna Lena Göttsche, Vorsitzende der djb-Kommission Familien-, Erb- und Zivilrecht, fordert ein modernes und kohärentes Abstammungsrecht, das der Vielfalt heutiger Familienformen Rechnung trägt. Der Gesetzgeber dürfe sich nicht auf punktuelle Korrekturen auf der sogenannten Sekundärebene beschränken, sondern müsse die grundlegende Neuregelung der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung auf der Primärebene angehen.
"Insellösungen" statt überzeugender Gesamtregelung
Der djb kritisiert zudem, dass das BVerfG im April 2024 im Einzelfall eines leiblichen Vaters den Gesetzgeber angewiesen habe, das Anfechtungsrecht neu zu justieren, danach aber keine Ausführungen zum Wie gemacht habe. Seit März 2021 seien beim BVerfG mittlerweile sieben konkrete Normenkontrollanträge und eine weitere Verfassungsbeschwerde anhängig geworden, die das Gericht noch immer nicht entschieden habe. So habe das BVerfG den Gesetzgeber in eine Situation gezwungen, in welcher er das nachrangige Anfechtungsrecht reformieren solle, ohne das eigentliche Problem im Abstammungsrecht bei der primären Eltern-Kind-Zuordnung anzugehen.
Diese Insellösungen ergeben, wie der djb in seiner Stellungnahme schreibt, "keine überzeugende Gesamtregelung zu der elementaren Frage, wer die rechtlichen Eltern eines Kindes sind, nach welchen Kriterien die rechtliche Elternschaft erstmalig zugewiesen und unter welchen Voraussetzungen sie im weiteren Leben des Kindes ggf. veränderbar sein sollte."