Deutlich mehr Klagen von Fluggästen gegen Airlines

Bei Gerichten an den Standorten der 20 größten deutschen Flughäfen landen immer mehr Klagen gegen Airlines. Nach Angaben des Deutschen Richterbundes waren es im vergangenen Jahr mehr als 125.000 und damit so viele wie nie. Die Zahl der Fälle sei gegenüber 2022 bundesweit um rund 80% gestiegen.

Mit knapp 37.300 Verfahren gab es beim AG Köln das höchste Aufkommen, wie eine Umfrage der "Deutschen Richterzeitung" ergab, auf die sich der Verband bezog. Das seien fast doppelt so viele wie im Vorjahr. In der Domstadt hat die Lufthansa ihren juristischen Sitz. Es folgen Frankfurt mit gut 15.000 Fällen (2022: etwa 11.300) und das für den Hauptstadtflughafen BER zuständige AG Königs Wusterhausen mit knapp 14.000 (2022: mehr als 7.000). Bei dem Gericht in Brandenburg machen die Verfahren von BER-Passagieren nach Verbandsangaben inzwischen 93% aller Zivilklagen aus. Beim AG Erding, das für den Flughafen München zuständig ist, sind es sogar 94%. Meist geht es um Entschädigungen für ausgefallene oder verspätete Flüge. 

Auch bei der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) sind die Fallzahlen wieder deutlich gestiegen, wenn auch mit knapp 39.800 Beschwerden das Rekordjahr 2020 knapp verfehlt wurde. Erneut machten Streitigkeiten um Flugreisen mit 84% den weit größten Anteil der Verbrauchereingaben aus. Bei den mehr als 33.000 Schlichtungsbitten ging es meist um annullierte Flüge, Verspätungen und Gepäckprobleme. Im Schnitt konnten 85% der Verfahren mit einer Einigung beendet werden, berichtet die SÖP. 

KI gegen "Fließbandklagen" 

Bereits im Frühjahr 2023 zeigte sich der Richterbund besorgt wegen massenhafter Klagen gegen Airlines. Er sieht Portale, mit denen Fluggäste ihre Ansprüche schnell und einfach durchsetzen können, als einen wesentlichen Grund für die Entwicklung bei den Gerichten. "Viele Amtsgerichte ächzen unter einer neuen Welle von Fluggastverfahren", sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn der Deutschen Presse-Agentur.

Die Justiz habe reagiert und versuche, "Fließbandklagen", mit denen Anwaltskanzleien und Inkassodienstleister viele Gerichte überhäuften, mit moderner Technik besser zu bewältigen. In Frankfurt wurde zum Beispiel ein KI-Assistenzprogramm erprobt. Dieses kann nach Angaben des hessischen Justizministeriums Schriftsätze analysieren, Metadaten auslesen sowie Richterinnen und Richtern Textbausteine für ein Urteil vorschlagen. Die erfolgreiche Entwicklung des Prototyps "Frauke" stößt auch in Brandenburg auf Interesse: Im vergangenen November vereinbarten die beiden Länder eine Zusammenarbeit. 

"Bislang ist daraus aber noch keine Standardsoftware entwickelt worden, die im Regelbetrieb der Gerichte durch die Klageflut helfen könnte", sagt Rebehn. Er erneuerte seine Kritik an mangelnden Ausgaben für die Justiz: "Mit einem auf 50 Millionen Euro jährlich eingedampften Minibudget der Bundesregierung wird sich die Justiz-Digitalisierung in Deutschland allerdings nicht spürbar beschleunigen lassen."

Marion van der Kraats und Christian Ebner, 5. Februar 2024 (dpa).