Der Scholz-Poker: Bundesregierung beschließt Haushalt 2020

Die schwarze Null steht – doch dafür musste der Finanzminister in diesem Jahr besonders sorgfältig rechnen. Spielräume für Sonderwünsche hat sein Haushalt für 2020 nicht, Olaf Scholz (SPD) plündert sogar die Sparschweine. Zugleich aber verspricht er am 26.06.2019 nach dem Kabinettsbeschluss: "Viel Geld können wir ausgeben." Die Bundesregierung plant Rekordinvestitionen, die für sozialen Zusammenhalt, ein modernes Land und eine florierende Wirtschaft sorgen sollen. Auch für den Klimaschutz sei genug Geld da, verspricht Scholz – auch wenn die Bundesregierung noch gar keinen Plan hat, wofür genau sie es ausgeben will.

Scholz erwartet leicht steigende Ausgaben

Insgesamt rechnet der Vizekanzler trotz schwächer steigender Steuereinnahmen mit leicht steigenden Ausgaben von 359,9 Milliarden Euro. Nach der trüben Steuerschätzung musste der Vizekanzler seinen Entwurf noch einmal anpassen und kann nun 2,7 Milliarden weniger ausgeben als er zunächst wollte. Das liegt vor allem an einer Schwäche der Weltwirtschaft, die die Exportnation Deutschland besonders trifft. Alle Ministerien mussten noch einmal zusammenrücken.

Rückgriff auf Milliardenrücklage

Die schwarze Null, die seit 2014 jedes Jahr steht, rettet letztlich aber vor allem die Tatsache, dass Deutschland für seine Schulden enorm niedrige Zinsen zahlen muss. Außerdem greift Scholz fast zehn Milliarden Euro tief in die Rücklage, die der Bund während der Flüchtlingskrise für die Integration gebildet hat. Dazu kommen globale Minderausgaben von rund 3,6 Milliarden Euro. Das sind Einsparverpflichtungen, die aber nicht mit konkreten Projekten unterlegt sind – man rechnet einfach damit, dass am Ende des Haushaltsjahres ohnehin Geld übrig bleibt, weil nicht alles wie geplant investiert werden kann.

Maastricht-Kriterien könnten eingehalten werden

Zu den wichtigsten Schwerpunkten und Eckwerten zählt, dass Deutschland seinen Schuldenstand weiter abbaut. Zum ersten Mal seit 17 Jahren könnten laut Scholz die Maastricht-Kriterien eingehalten werden. Das ist eine europäische Obergrenze, die einen Schuldenstand von maximal 60% des Bruttoinlandsprodukts erlaubt.

Rentenversicherung größte Ausgabe

Der größte Einzeletat ist der von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Er macht mit 148,56 Milliarden fast 41% des Bundeshaushalts aus. Das liegt vor allem an mehr als 100 Milliarden für die Rentenversicherung - der größten Ausgabe der Bundesregierung überhaupt.

Umweltministerium bekommt mehr Geld

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat in ihrem Etat den größten Zuwachs aller Ministerien. Sie bekommt fast 15% mehr Geld, insgesamt mit 2,6 Milliarden aber weiter keinen der Top-Etats. Der Haushaltsplan nennt als Schwerpunkte die Minderung von Treibhausgas-Emissionen, Insektenschutz und die Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle. Die großen Klimaschutzziele fehlen noch – die Bundesregierung will sie erst zum Ende des Jahres 2019 aufstellen.

Familien sollen entlastet werden

Alle notwendigen Investitionen könnten gestemmt werden, verspricht Scholz. Wichtig sei vor allem, dass Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen nicht über Gebühr belastet würden. Die Bundesregierung will vor allem Familien mit wenig Geld entlasten. Die größten Sprünge kommen hier allerdings erst 2021, wenn Kindergeld und Kinderfreibetrag noch einmal erhöht werden. Außerdem soll dann der Solidaritätsbeitrag für 90% der Zahler wegfallen. 2020 sind zunächst Aufwüchse beim Elterngeld, Unterhaltsvorschuss und Kinderzuschlag eingeplant. Außerdem soll Geld für bessere Kitas fließen.

Verkehrsinvestitionen sollen vor allem in Schiene fließen

Die Verkehrsinvestitionen steigen 2020 auf das Rekordniveau von 15,3 Milliarden Euro. Das Geld soll vor allem in die Schiene fließen. Bisher sind auch Einnahmen aus der Pkw-Maut eingerechnet, die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes aber wegfallen. Das Finanzministerium muss deshalb nochmal nachbessern. Das wird sich vor allem von 2021 an auswirken – dann werden 400 bis 500 Millionen Euro fehlen. Wie das ausgeglichen werde, sei noch nicht klar, sagt Scholz. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) müsse Vorschläge machen.

100 Milliarden Euro für Bildung und Forschung

Für Bildung und Forschung sind in den nächsten vier Jahren 100 Milliarden Euro eingeplant. 2020 soll es unter anderem eine Milliarde für Ganztagsschulen geben, auch für die Bafög-Erhöhung und die Digitalisierung der Schulen ist Geld eingeplant.

Wehretat soll schrumpfen

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bekommt zwei Milliarden Euro mehr – für Großvorhaben, aber auch modernere Kleidung und Ausrüstung der Soldaten. Bis 2023 soll der Wehretat von 44,9 Milliarden auf 44,0 Milliarden schrumpfen. Das birgt Konfliktstoff im Verhältnis zu den USA, denn auch die Nato-Quote sinkt. Deutschland hat sich verpflichtet, die Verteidigungsausgaben bis 2024 in Richtung 2% des Bruttoinlandsprodukts zu bewegen. Für 2023 sind nun nur 1,24% anvisiert.

Mehr Geld für Wohngeld und sozialen Wohnungsbau

Mehr Mittel sind für Wohngeld und sozialen Wohnungsbau eingeplant. Auch für das Baukindergeld sollen noch einmal rund 860 Milliarden fließen.

Grundrente noch nicht berücksichtigt

Nicht berücksichtigt ist bisher die Grundrente, die in der Bundesregierung noch umstritten ist. Allerdings, so sagt Scholz, werde sie den Haushalt auch nicht belasten. Die SPD will dafür Einnahmen aus der noch nicht beschlossenen europäischen Finanztransaktionsteuer und Geld aus den Sozialversicherungen nutzen.

Industrie und Handwerk fordern mehr Investitionen

Industrie und Handwerk beklagen falsche Schwerpunkte: Angesichts der schwächeren Konjunktur müsse noch mehr investiert werden, statt noch nicht erwirtschaftetes Geld für Soziales zu verteilen. Der Sozialverband VdK dagegen mahnte, etwa bei der Grundrente dürfe nicht gespart werden.

Kritik an angeblichem Haushaltsloch

Die FDP kritisierte, statt auf Zukunftsinvestitionen setze Scholz erneut auf steigende Ausgaben, also beispielsweise auf Geld für die Rente statt für Bildung. Gleichzeitig klaffe in seinem Entwurf ein schlecht kaschiertes Loch von 13 Milliarden Euro. "Es regiert das Prinzip Hoffnung", sagte Haushälter Otto Fricke. Sein Unionskollege Eckhardt Rehberg (CDU) sprach ebenfalls von einem strukturellen Defizit von weit mehr als zehn Milliarden Euro. "Für weitere Ausgabewünsche ohne Gegenfinanzierung gibt es keinen Spielraum mehr."

Redaktion beck-aktuell, 27. Juni 2019 (dpa).

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