Demokratie schützen, Gemeinwohl fördern: Organisationen fordern Kontrolle digitaler Plattformen

Eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung und eine wirksame Kontrolle digitaler Plattformen – das fordern über 75 Organisationen und Bündnisse. In einem offenen Brief bitten sie die Spitzen von Union und SPD, dies in die Agenda ihrer Sondierungsgespräche aufzunehmen.

Die Organisationen und Bündnisse, darunter die Verbraucherzentrale Bundesverband, ver.di und Brot für die Welt, verweisen auf die jüngsten Entwicklungen nach der Präsidentschaftswahl in den USA. Diese zeigten, welche Gefahren für die Demokratie von großen Online-Plattformen ausgingen.

In der Konzentration von Macht und Daten in der Hand weniger Tech-Konzerne aus den USA und China sehen die Organisationen ein Risiko für die digitale Souveränität sowohl Europas als auch der Länder des Globalen Südens. "Diese Monopole bedrohen weltweit das gesellschaftliche Gemeinwohl und den demokratischen Diskurs. Ohne wirkungsvolle Regulierung der Plattformökonomie kann es keine faire Digitalisierung geben", betont Sven Hilbig, Digitalexperte bei Brot für die Welt.

Ulrich Müller, Vorstand von Rebalance Now, kommentiert: "Die Marktkonzentration zu begrenzen und die ökonomische und politische Macht von Tech-Plattformen einzuhegen, ist eine zentrale demokratische und wirtschaftliche Herausforderung für die nächsten Jahre. Die Bundesregierung und die EU müssen hier klare Kante zeigen und die europäischen Regeln gegen Tech-Monopolmacht wirkungsvoll durchsetzen." Die Allianz aus Vertretern und Vertreterinnen der Zivilgesellschaft, Kirchen, Gewerkschaften, Verbraucherschutz und Digitalwirtschaft fordert klare Schritte in diese Richtung und zeigt dafür drei Handlungsfelder auf.

Digital Fairness Act und gemeinwohlorientierte digitale Infrastrukturen

Zunächst müssten bestehende Digitalregeln sowie das Wettbewerbsrecht "konsequent angewendet" werden, heißt es in dem offenen Brief. Außerdem müssten regulatorische Lücken geschlossen werden. "Verbraucherinnen und Verbraucher müssen im Netz vor manipulativen Praktiken wie Tracking, Profilbildung und suchtfördernden Designs geschützt werden", sagt Michaela Schröder, Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). "Die Durchsetzung bestehender EU-Regulierungen wie des Digital Services Acts oder des Digital Markets Acts ist dafür wichtig, reicht aber nicht aus." Viele grundlegende Probleme digitaler Geschäftsmodelle seien weiter offen und müssten dringend im Digital Fairness Act gelöst werden, so Schröder. Eine neue Bundesregierung müsse sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass Demokratie und Fairness in der digitalen Welt gewahrt werden.

Schließlich müsse sich die Bundesregierung für den Aufbau und die Stärkung demokratisch kontrollierter, gemeinwohlorientierter und souveräner digitaler Infrastrukturen einsetzen – aus Sicht der Unterzeichnenden des offenen Briefs auch eine wirtschaftliche Chance für europäische Digitalunternehmen. "Wir können vom Weg in die digitale Plattform-Oligarchie noch abbiegen", sagte Franziska Heine, Geschäftsführende Vorständin von Wikimedia Deutschland. "Projekte wie die Wikipedia, Open Street Map und das Fediverse zeigen, dass das Internet auch anders funktionieren kann."

Organisationen sehen unabhängigen Journalismus in Gefahr

"Digitale Plattformen sollten nicht länger so programmiert sein, dass sie massiv Diskurse beeinflussen und Gesellschaften spalten", sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. "Derzeit stärken sie antidemokratische Kräfte. Sie tragen zur Ausgrenzung von Minderheiten bei. Diese Tendenzen erschweren es auch, große Herausforderungen für Gesellschaften – wie die Klimakrise – zu lösen."

Aus Sicht der Unterzeichnenden ist das kein unglücklicher Zufall, sondern steht in direktem Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell der Plattformen. "Die großen Online-Plattformen sind nur scheinbar kostenfrei. Finanziert werden sie durch Preisgabe persönlicher Daten, die für immer stärker individualisierte Werbung genutzt werden. Die Algorithmen der Plattformen sind intransparent und wirken oft tendenziös. So gefährden sie auch unabhängigen Qualitätsjournalismus und damit freie Meinungs- und Willensbildung. Es braucht einen Neustart, die Monopolanbieter haben versagt", erklärt der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke.

Redaktion beck-aktuell, bw, 4. März 2025.

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