DAV zu geplanter BRAO-Modernisierung
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Der DAV ist mit dem Referentenentwurf zur Modernisierung der BRAO zufrieden. Seine Anregungen seien in weiten Teilen übernommen worden. Er begrüßt insbesondere die Regelungen zur Berufsausübungsgesellschaft und den "im Rahmen des Möglichen" gelungenen Ansatz, das Berufsrecht der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zu harmonisieren. Auch die Öffnung der Möglichkeiten zur interprofessionellen Verbindung befürwortet der DAV.

Hinweis auf mögliche Diskrepanzen zu anderen Modernisierungsplänen

Seiner Stellungnahme schickt der DAV voran, dass der Referentenentwurf in zeitlichem Zusammenhang mit dem Referentenentwurf zum MoPeG und dem Gesetzentwurf zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts veröffentlicht worden ist. Der DAV sei bei seiner Stellungnahme davon ausgegangen, dass die Reform der BRAO gemäß Referentenentwurf zuletzt in Kraft treten wird, bei eventuellen Diskrepanzen zwischen den Texten dessen Fassung mithin entscheidend ist.

Bestimmungen über interprofessionelle Zusammenarbeit überzeugend

Die Kodifizierung der bislang unsystematisch teils gesetzlichen, teils untergesetzlichen (satzungsrechtlichen) Berufsausübungsregelungen und insbesondere der Bestimmungen über die interprofessionelle Zusammenarbeit bewertet der DAV als überzeugend. Er habe Verständnis dafür, dass der Gesetzgeber der Zulassung der Aufnahme berufsfremder Personen, auch soweit sie selbst einem kodifizierten Berufsrecht unterliegen, durch besondere Regeln Rechnung tragen wollte. Es handele sich insbesondere um Regelungen zum Ausschluss von Berufsträgern bei schweren und wiederholten Verstößen gegen das Berufsrecht, deren Implementierung in Gesellschaftsverträgen und als Schlussstein die Vorlage dieser Gesellschaftsverträge bei den zuständigen Kammern.

Regelungsumfang jedoch zu weitgehend

Der DAV ist gleichwohl der Auffassung, dass der Regelungsumfang insoweit das gebotene Maß übersteigt. In seiner Sozietätswechsler-Entscheidung habe das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass Rechtsanwälte sich rechtstreu verhalten (JuS 2003, 1227). Damit sei gleichzeitig eine Grenze für den Umfang der vorausschauend kontrollierenden Regulierung gezogen worden, ja der Regulierung insgesamt. Aus Sicht des DAV sollte sich der Gesetzgeber darauf beschränken, hinsichtlich des Ziels eine klare Vorgabe zu formulieren und, soweit nicht ganz zwingende Gesichtspunkte weiteres Handeln gebieten, die Umsetzung dem jeweils regulierten Beruf, hier also der Rechtsanwaltschaft, zu überlassen. Konkret sei die Pflicht, Gesellschaftsverträge generell – und nicht etwa nur auszugsweise zur Behebung bestehender Zweifel – vorzulegen, eine unnötige Belastung der jeweiligen Berufsausübungsgesellschaften und der zur Prüfung verpflichteten Kammern.

Auch Regulierung zu Tätigkeitsverbot bei "sensiblem Wissen" überschießend

Ein weiteres Problem und eine überschießende Regulierung stellt aus Sicht des DAV die Aufnahme eines Tätigkeitsverbots in dem Fall dar, dass der Rechtsanwalt aus einem anderen Mandat besondere Tatsachen kennt. Ein Konflikt bestehe dann selbstverständlich, nur sei er bisher als Frage der Vertraulichkeit, auch der Unabhängigkeit und Geradlinigkeit gesehen worden, und habe dazu geführt, dass der Betroffene an der Bearbeitung des Mandats für den dann zweiten Mandanten verhindert war. Die erlangten Kenntnisse dürften nicht in einem anderen Mandat verwertet werden. Diese Regelung nun in das Gesetz aufzunehmen, könne nicht mit der Interdisziplinarität von Berufsausübungsgesellschaften gerechtfertigt werden. Insbesondere sei die Erstreckung des Tätigkeitsverbots auf die gesamte Gesellschaft und deren Gesellschafter und Mitarbeiter nicht gerechtfertigt. Die schützenswerten Interessen des ersten Mandanten werden hierdurch nach Ansicht des DAV nicht besser geschützt. 

Nachteile für Mandanten

Dagegen ergäben sich mannigfaltige Probleme: Das Bewusstsein, über besondere schützenswerte Tatsachenkenntnis zu verfügen, werde in aller Regel erst bei der Anfrage aktualisiert, ob ein weiterer Rechtsanwalt in dem Mandat mitarbeiten will. Eine Liste besonderer Kenntnisse, die bei der Mandatsannahme verfügbar wäre, könne niemand vorhalten, weil man aus dem genannten Grund nicht zu einer vollständigen Aufstellung in der Lage ist. Wenn aber bei einem laufenden Mandat aus Anlass der Hereinnahme eines weiteren Bearbeiters die Berufsausübungsgesellschaft insgesamt inhabil wird, habe vor allem der Mandant den Nachteil. Abzusehen sei, dass er Nachteile wegen der zeitlichen Verzögerung bei der Durchsetzung seines Anspruches oder Rechtsposition erleidet, die durch die Einarbeitung neuer Anwälte entstehen. 

Vergütungsfrage bei Niederlegung offen

Unklar sei auch, so der DAV, welche Vergütung der das Mandat niederlegenden Berufsausübungsgesellschaft zusteht, und all dies in einer Situation, in der keinem Beteiligten ein Schuldvorwurf gemacht werden kann. Der DAV hält es daher für richtig, insoweit auf das Tätigkeitsverbot zu verzichten und stattdessen gegebenenfalls die Verschwiegenheitspflicht dahin auszugestalten, dass auch die Verwendung sensibler Informationen ausdrücklich verboten ist.

Vorgesehene Sanktion bei Berufsrechtsverstößen geht zu weit

Überschießend sei weiter die vorgesehene Sanktion, bei Berufsrechtsverstößen selbst nur eines Einzelnen der Berufsausübungsgesellschaft die Rechtsdienstleistungsbefugnis zu entziehen. Selbst wenn man entsprechend der Rechtsprechung in anderen Fällen, beispielsweise beim Ausschluss eines Gesellschafters, davon ausgehe, dass die Entziehung der Rechtsdienstleistungsbefugnis immer nur eine Ultima Ratio bei zukunftsgewandter Betrachtung wäre, sei sie angesichts der Folgen (Liquidation der Gesellschaft und Zwang zur Gründung einer neuen Berufsausübungsgesellschaft durch die verbliebenen rechtstreuen Gesellschafter) nicht hinnehmbar. Eine Parallel-Diskussion habe es bei der entsprechenden Sanktion (Verbandsauflösung) gegeben, die im Entwurf des Verbandssanktionengesetzes vorgesehen war. Hier sei sie zu Recht aus dem Entwurf herausgenommen worden.

Plädoyer für inländische Berufsausübungsgesellschaft

Bei der Zulassung ausländischer Berufsausübungsgesellschaften aus einem WHO-Mitgliedsland oder einem anderen Staat mit verbürgter Gegenseitigkeit habe sich der Entwurf dafür entschieden, eine Zweigniederlassung in Deutschland vorzusehen (§ 207a BRAO - E). Die Gründung einer inländischen Berufsausübungsgesellschaft soll insoweit unzulässig sein. Folge sei, so der DAV, dass deutsche Rechtsanwälte, die dieser ausländischen Berufsausübungsgesellschaft angehören und nach dem Entwurf auch angehören dürfen, in ausländische Rechtsformen gedrängt werden. Für eine effiziente Überwachung durch die Rechtsanwaltskammern sei es sinnvoller, wenn nach Zulassung einer Zweigniederlassung eine inländische Berufsausübungsgesellschaft mit einer eigenen Geschäftsführung gegründet wird.

Regelung zu Vertretung der deutschen Zweigniederlassung kaum umsetzbar

Außerdem enthalte der Entwurf weitreichende Regelungen, wie den Zwang zur Bestellung eines Mitglieds des Geschäftsführungsorgans, das für die deutsche Zweigniederlassung nach außen zur Vertretung befugt ist, die tief in die gesellschaftsrechtliche Organisation dieser ausländischen Berufsausübungsgesellschaften eingreifen. Das sei praktisch kaum umsetzbar und von den Kammern nicht zu überwachen.

Redaktion beck-aktuell, 7. Dezember 2020.